Zukunft des autonomen Fahrens wird in Klettwitz gemacht: Citykurs-Teststrecke am Lausitzring eröffnet
Neue Testmöglichkeiten für Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren sind am DEKRA Lausitzring entstanden. Was das für die Zukunft des Standortes bedeutet und wie das ein weiterer Faktor für den Strukturwandel in der Lausitz werden kann.
Peter Aswendt / Jannis Simons
Ende Juni wurde am DEKRA Lausitzring in Klettwitz der neue Bauabschnitt der Citykurse offiziell eröffnet. Auf den bisherigen Zuschauerparkflächen am Lausitzring wurden für die Citykurse auf knapp 80.000 Quadratmetern variabel nutzbare Asphaltflächen eingebaut. Die Anlage umfasst Fahrstreifen, Großflächen, bis zur vierspurige Kreuzungsbereiche, wie sie in Berlin oder Paris zu finden sind, und unter anderem auch ca. 300 Meter Straßenbahnschienen. Das Layout der Teststrecken hat man in Dresden, dem Stadtgebiet um den Pirnaischen Platz, abgeschaut. Mit flexiblen Markierungen, mobiler Infrastruktur und simulierter Randbebauung lassen sich die unterschiedlichsten Verkehrsszenarien darstellen: »In Kombination mit hochmodernen Testmethoden können wir künftig Fahrzeuge in nahezu jede Situation bringen, um ihre automatisierten Fahrfunktionen der maximalen Test-Herausforderung auszusetzen«, erklärt Uwe Burckhardt, Leiter Test und Event am DEKRA Lausitzring. Die situative Randbebauung, beziehungsweise Darstellung von städtischen Situationen erfolgt mittels 150 Seecontainern, die mit flexiblen Fronten ausgestattet werden können: »Wir müssen auf alle städtischen Straßensituationen vorbereitet sein, da wäre eine feste Installation nicht von Vorteil«, begründet Burckhardt den Einsatz der beweglichen Bauten. Dazu kommt, dass in den Städten der Welt von Glas bis Mauerwerk die verschiedensten Fronten den Assistenzsystemen der Fahrzeuge begegnen. Das konkrete Layout der Asphaltflächen der neuen Citykurse wurde von DEKRA in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Fahrzeugerstellern, Zulieferern und Forschungseinrichtungen geplant.
Automobilindustrie im größten Wandel seit 100 Jahren
Unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden wurde das innerstädtische und vorstädtische Unfallgeschehen in Deutschland von 2013 bis 2019 ausgewertet: »Mit den Möglichkeiten unserer flexiblen Citykurse lassen sich mehr als 80 Prozent dieser realen Verkehrsszenarien im Test abbilden«, freut sich Burckhardt. Der DEKRA-Standort in Klettwitz bietet nun eine einzigartige Vielfalt an Teststrecken, die fast alle Straßensituationen, die dem automatisierten Fahren begegnen können, abdecken. Zum Beispiel werde das Einfahren in einen Kreisverkehr simuliert. »Stellen Sie sich dabei vor, es kommen fünf Fahrradfahrer, die Frau mit dem Kinderwagen und vor ihnen bremst noch jemand. Das sind Herausforderungen, die der Mensch aktuell sehr gut meistert und die die automatisierten Fahrzeuge noch lernen müssen«, erklärt Erik Pellmann, Leiter Technology Center bei der DEKRA Automobil GmbH.
Dass sich die Automobilindustrie im größten Wandel seit 100 Jahren befindet, sei laut Pellmann nicht von der Hand zu weisen. »Durch das Verbrennerverbot 2035 werden wir elektrisch fahren. Viele automatisierte Prozesse sind bereits in Planung. Das wird die Fahrzeuge und den Standort nachhaltig verändern.« Er habe die Vision, dass hier das europaweit größte unabhängige Testsystem entstehen kann. »Wir haben mit dem Lausitzring, dem Test-Oval, den vorhandenen Laboren schon jetzt einzigartige Möglichkeiten und diese bauen wir jetzt konsequent aus«, erläutert der Fachbereichsleiter die Standortvorteile.
Weitere Investitionen in Planung
Die Millioneninvestition der DEKRA in die Citykurse soll bei weitem noch nicht die letzte am Standort in der Lausitz gewesen sein. Die Testmöglichkeiten für automatisierte Fahrsysteme sollen weiter ausgebaut werden. Laut Burckhardt werde aktuell schon auf einer Länge von fast 16 Kilometer Landstraßen, sogenannte Interurban-Kurse geplant, um automatisiertes Fahren bis 120 Kilometer abzubilden. Ebenfalls bereits in Planung ist die Ansiedlung des DEKRA Testzentrums für automobile und stationäre Batteriesysteme, was die Bedeutung des Standortes nochmals sehr deutlich unterstreicht. Es soll Ende 2024 betriebsbereit sein und bedeutet weitere Investitionen im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Temperaturwechsel mit entsprechender Be- und Entladung der Batterie, Umgebungssimulationen wie Staub, Nässe, extreme Kälte: »Wir werden die Batterien richtig ärgern und wollen damit Sicherheit erzeugen«, so der verantwortliche Laborleiter Pellmann.
Bleibt der Lausitzring weiter Eventlocation?
»Wir machen nicht nur Motorsport-Events und Konzerte, sondern Test und Technology ist unser Standbein Nummer eins, das dem Lausitzring nachhaltiges Bestehen sichert und für uns als DEKRA hier Entwicklungsmöglichkeiten bietet.« Benötigte Parkflächen für den Veranstaltungsbetrieb sollen trotz der neuen Nutzung zur Verfügung stehen. So soll der Standort unter der Woche eher für Forschung und Entwicklung sowie Industrie-Veranstaltungen und am Wochenende weiterhin für Freizeit-Events genutzt werden. Ein neuer Schallschutzwall und das reduzierte Angebot von freiem Fahren sorge dabei für eine geringere Lärmemission. Guido Beermann, Minister für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg, sagte vor Ort: »Hier werden Arbeitsplätze in einer Zukunftstechnologie in der Strukturwandelregion geschaffen. Das stärkt nicht nur die Lausitz, das stärkt ganz Brandenburg und ganz Deutschland.« Weiter betonte Beermann, dass der Lausitzring auch als Eventlocation ein wichtiger Werbeträger der Region sei.
Mehr als 200 Mitarbeite sind in Klettwitz aktuell beschäftigt. Weitere sollen dazukommen. So werden allein in diesem Jahr im Bereich Test und Technology um die 20 Mitarbeiter neu eingestellt. »Mit den Interurban-Kursen werden noch einige Stellen dazukommen«, verspricht Uwe Burckhardt und ergänzt: „Wir werden ebenso in die Dienstleitungserbringung und in die Methodenentwicklung personell investieren und sind damit im Bereich Mobilität der Zukunft richtig stark in Europa unterwegs.«