„Wir können uns international in der 1. Liga positionieren“
Das größte Forschungsprojekt des Lausitzer Strukturwandels, „CHESCO“, kann starten
pm/Jannis Simons
Am vergangenen Mittwoch erfolgte an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) der Startschuss für „CHESCO“, dem teuersten Forschungsprojekt im Rahmen des Lausitzer Strukturwandels. Dabei handelt es sich um ein Zentrum zur Entwicklung emissionsarmer Luftantriebe. Brandenburgs Wissenschafts- und Forschungsministerin, Dr. Manja Schüle, übergab dafür nun den ersten Zuwendungsbescheid der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) in Höhe von rund 39 Millionen Euro an die BTU-Präsidentin Prof. Gesine Grande.
CHESCO steht für „Center for Hybrid Electric Systems Cottbus“. In dem Forschungs- und Kooperationszentrum sollen künftig klimafreundliche Flugantriebe für Kurz- und Mittelstrecken geplant, getestet und umgesetzt werden, womit perspektivisch aber auch neue Antriebsmethoden für den Bahnverkehr oder Straßenfahrzeuge entwickelt werden sollen. Hybrid-elektrische Antriebe – und damit die Kombination von Gasturbine mit Generator oder Brennstoffzelle, Batterie und Elektromotor – stehen im Fokus der Forschung. CHESCO will Anlaufpunkt für und mit der Region werden und darüber hinaus. Rund 400 neue Arbeitsplätze mit Entwicklungsperspektive für Alt- und Neulausitzer sollen mit diesem Projekt direkt geschaffen werden. Darunter werden schätzungsweise 60 Prozent Wissenschaftler und rund 40 Prozent Fachleute für die Metallbearbeitung, Elektroniker, Informatiker und Datentechniker benötigt. Darüber hinaus sollen sich um dieses Zentrum herum noch weitere Firmen wie Rolls-Royce ansiedeln, die weitere Facharbeiter einstellen. „Es gibt schon eine Firma, die großes Interesse hat, sich direkt neben dem Zentrum niederzulassen, und ganze Fertigungslinien mit mehreren hundert Arbeitsplätzen anbieten möchte“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Georg Möhlenkamp von der BTU, einer der CHESCO-Projektleiter, die positive Signalwirkung, die dieses Projekt schon jetzt mit sich bringt. Die ersten Fördergelder in Höhe von 38,56 Millionen Euro sollen zunächst für die Anschaffung der ersten Maschinen und weiteren Planungsarbeiten für den Bau neuer Gebäude eingesetzt werden.
Nächste Ära der Luftfahrt soll von Cottbus aus geprägt werden
Brandenburgs Ministerin Dr. Manja Schüle sagte auf der Pressekonferenz: „CHESCO ist ein Mega-Projekt für die Lausitz. Hier wird mit Spitzenforschung eine der größten Herausforderungen unserer Zeit angegangen: die Entwicklung klimaschonender Flugantriebe. Es kann ein Pull-Faktor für die gesamte Region werden. Das Zentrum wird nämlich kein hermetisch abgeriegelter Elfenbeinturm, in dem exzellente Köpfe schweigsam vor sich hin tüfteln.“ So soll das Zentrum zu einem Knotenpunkt für Kooperationsprojekte werden mit regionalen Wirtschaftspartnern, Forschern und Wissenschaftlern. Unter Schirmherrschaft der BTU Cottbus-Senftenberg, aus deren Reihen auch das Vorhaben entstanden ist, soll CHESCO ein Teil des Gesamtprojekts Lausitzer Wissenschaftspark („Lausitz Science Park“) im Technologie- und Industriepark (TIP) auf dem Gelände des ehemaligen Cottbuser Flugplatzes sein und sich bis 2026 zu einem integrierten Forschungszentrum entwickeln. Mit an Bord sind das Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und mehrere Fraunhofer-Institute. Bereits Anfang Oktober 2021 eröffnete der Triebwerkshersteller Rolls-Royce Deutschland ein Entwicklungsbüro in Cottbus und ist Teil des Projekts. Weitere starke Industriepartner sollen folgen.
Für BTU-Präsidentin, Prof. Gesine Grande, ist es „eines der spannendsten Abenteuer der nächsten Entwicklungsphase der Lausitz“. Bei diesem Projekt arbeiten renommierte Wissenschaftler gemeinsam mit internationalen Partnern im künftigen Lausitz Science Park an innovativen Technologien, die die Luftfahrt- und die Fahrzeugbranche nachhaltig verändern und damit die Folgen des Klimawandels verringern können. „Damit können wir uns international in der 1. Liga positionieren“, äußert die Präsidentin selbstbewusst. Dr. Jörg Au, Geschäftsführer Engineering, Rolls-Royce Deutschland sagte: „Wir freuen uns darauf, hier in Brandenburg gemeinsam mit anderen Partnern ein weltweit einzigartiges industrielles Ökosystem für emissionsarme, hybrid-elektrische Luftfahrtantriebe aufzubauen. Dass wir dabei auf die anhaltende Unterstützung durch die deutsche Regierung und das Land Brandenburg zählen können, trägt entscheidend dazu bei, dass wir unsere Ziele für eine nachhaltige und CO2-neutrale Zukunft bis 2050 erfüllen können.“ Nichts Geringeres als die nächste Ära der Luftfahrt soll im besten Fall also in und von Cottbus aus geprägt werden.
Entscheidender Vorteil im internationalen Wettbewerb
Natürlich wird nicht nur in Cottbus an emissionsärmeren Antriebsstoffen geforscht werden. Entwicklungen in der Luftfahrt sind jedoch langwierig und technologische Änderungen sind hohen Sicherheitsstandards unterworfen. CHESCO soll die Entwicklungszeit innovativer Antriebstechnologien durch die zentrale Bündelung der Forschungs- und Fertigungskompetenzen beschleunigen. Entwickeln, Konstruieren, Fertigen, Testen – das alles soll bald in Cottbus möglich sein und könnte der entscheidende Vorteil im internationalen Wettbewerb werden.
BTU-Präsidentin Prof. Gesine Grande (links) und Brandenburgs Ministerin Dr. Manja Schüle bei der Übergabe des ersten Zuwendungsbescheids der ILB für „CHESCO“. Foto: Simons
„CHESCO wird Innovationslabor und Transformationsschmiede inmitten der Lausitz“, ist Manja Schüle überzeugt. Spätestens Ende dieses Jahres sollen die ersten Mitarbeiter an den Maschinen arbeiten können und auch die ersten Testphasen sollen noch in diesem Jahr anlaufen. Die Lausitz könne zu einem der dynamischsten Wissenschaftsstandorte weltweit werden, blickt BTU-Präsidentin Prof. Grande mutig voraus. Stolz berichtet sie, dass es immer häufiger Anfragen von etablierten Unternehmen aus Deutschland gibt, die die aktuellen Entwicklungen in der Lausitz ganz genau beobachten und immer öfters anfragen: „Können wir nicht mal zu euch kommen?“ „Es ist schon viel mehr in Bewegung, als man von außen sieht“, meinte Grande zum Abschluss der Fördermittelübergabe.
Statement von Heiko Jahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH:
„CHESCO ist das bislang größte Projekt, das im Werkstattprozess der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH qualifiziert wurde. Ein solches Zentrum zur Entwicklung und Erprobung emissionsarmer Antriebe ist bislang einzigartig in Europa. Es trägt zur Entwicklung einer modernen und innovativen Wissenschaftslandschaft in der Lausitz bei und wird sich – auch im Kontext des geplanten Science Parks an der BTU – zu einem Magneten für weitere wissenschaftsnahe und unternehmerische Ansiedlungen entwickeln. Damit wird auch ein Ziel der Entwicklungsstrategie 2050 erfüllt.“
Info:
Die Finanzierung von CHESCO erfolgt über die Förderrichtlinie der Staatskanzlei des Landes Brandenburg zur Strukturentwicklung Lausitz, die Mittel kommen aus dem Strukturstärkungsgesetz des Bundes. Im Rahmen des Förderverfahrens hat das Projekt einen Werkstattprozess durchlaufen, der durch die Landesstrukturentwicklungsgesellschaft „Wirtschaftsregion Lausitz GmbH“ organisiert wurde. Im Juni 2021 wurde die Förderwürdigkeit des CHESCO-Projekts durch die interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) Lausitz der Landesregierung bestätigt. In den kommenden fünf Jahren sollen insgesamt 238 Millionen Euro in den Aufbau und die Ausstattung des Forschungszentrums fließen. Die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) hat nun das erste Teilvorhaben mit rund 39 Millionen Euro bewilligt und den Förderbescheid erstellt.
V.l.n.r.: Die CHESCO-Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Georg Möhlenkamp, Prof. Dr.-Ing. Klaus Höschler und Prof. Gesine Grande (alle BTU) sowie Brandenburgs Ministerin Dr. Manja Schüle und Dr. Jörg Au, Chief Engineer Business Aviation und Engineering Director Rolls-Royce Deutschland, auf der Pressekonferenz zur Fördermittelübergabe im IKMZ Cottbus. Foto: Simons