Welche Strukturentwicklungsprojekte den Landkreis Spree-Neiße auf Zukunftskurs bringen
Spree-Neiße, eine landschaftlich schöne Region mit einer bewegten wirtschaftlichen Geschichte, ist seit jeher als „Energieregion“ eng mit der Verstromung des fossilen Rohstoffes Braunkohle aus den Lausitzer Revieren verbunden. Um sich langfristig aber klimafreundlich und damit nachhaltiger aufzustellen, werden seit einigen Jahren neue und vielversprechende Ideen im Rahmen der Strukturentwicklung umgesetzt. Der Landkreis Spree-Neiße/Wokrejs Sprjewja-Nysa setzt vor allem auf Innovationen und möchte den Herausforderungen im ländlich geprägten Kreisgebiet proaktiv begegnen. Es lohnt sich also, einen Blick auf die Strukturwandelvorhaben zu werfen und diese kennenzulernen.
Aus der Herbstausgabe 2023 des „STARK für die LAUSITZ“-Magazins des WochenKurier.
Der Landkreis konzentriert sich im Rahmen des Lausitzer Strukturwandels vor allem auf übergreifende Themenkomplexe, in denen mehrere Projekte oder Maßnahmen miteinander verknüpft und über den gesamten Landkreis, perspektivisch auch darüber hinaus, ausgerollt werden. Dabei ordnen sich die Projekte in übergeordnete Strategien und Entwicklungen ein und setzten diese durch innovative Maßnahmen um, die speziell auf die besonderen Bedingungen eines Flächenlandkreises zugeschnitten und miteinander korrespondierend sind.
Von den vielfältigen Themenfeldern einer erfolgreichen Strukturentwicklung in der Lausitz sollen an dieser Stelle nur für zwei Bereiche Projektvorhaben vorgestellt werden.
„Verein zur regionalen Förderung eines Gesundheitscampus in der Lausitz“
Im Kontext der Modellregion Gesundheit Lausitz ist es aus Sicht des Landkreises vor allem wichtig, dezentrale medizinische Versorgung sicherzustellen, bestehende Strukturen zu erhalten, sie zu optimieren und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu wurde im November 2022 der „Verein zur regionalen Förderung eines Gesundheitscampus in der Lausitz“ mit dem Ziel gegründet, Wissenschaft und Forschung im Bereich des regionalen Gesundheitswesens zu fördern und die öffentliche Gesundheitspflege in der Lausitz zu optimieren. Insbesondere durch die Initiierung, Koordinierung und Förderung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Bildung einer medizinischen Fakultät an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus-Senftenberg sollen die regionalen Gesundheitsversorgungseinrichtungen in die Entwicklung und die Arbeit der Universitären Medizinerausbildung eingebunden und die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum weiterentwickelt werden. Damit die Menschen vor Ort eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung unter Nutzung von digitalen Mitteln erhalten, werden zudem verschiedene Versorgungsmodelle erforscht, erprobt und letztlich implementiert.
Telemedizin im Rettungswagen
Ein wichtiges Pilotprojekt dabei stellt der Einsatz von Telemedizin im Rettungswagen dar, mit dem die Notfallversorgung verbessert werden soll. Wird dringende medizinische Hilfe gebraucht, sind die Rettungswagen mit Notfallsanitätern und/oder Rettungsassistenten*innen aus den regional verteilten Rettungswachen meist schnell zur Stelle. Allerdings benötigen die Ärzt*innen unter Umständen deutlich mehr Zeit zur Einsatzstelle, da die die Notarztstandorte manchmal weit entfernt sind. Zeit, die im schlimmsten Fall Menschenleben kosten kann.
Foto: Rainer Weisflog
Unverzichtbarer Bestandteil des Projektes ist daher ein mobiles Übertragungsgerät (Mixed-Reality-Brille), das Notfallsanitäterinnen oder Rettungsassistentinnen bei sich tragen und das es erlaubt, interaktive 3D-Projektionen in der direkten Umgebung darzustellen. Sie tragen diese Spezialbrille, solange noch kein Notarztwagen vor Ort ist. Alles, was sie sehen, überträgt die Brille digital in den Notarztwagen. Dort „sehen“ die Ärztinnen so bereits während ihrer Anfahrt die Situation vor Ort und die ersten Befunde. Auch akustische Signale können übertragen werden. Dank der digitalen Brille können sie die Therapie bereits bestimmen und bis zu ihrem Eintreffen begleiten. Haben sie die Patientinnen erreicht, können sie die medizinische Hilfe ohne Zeitverzug fortsetzen.
Zusätzlich können die erhobenen Befunde bei Bedarf aus dem Rettungswagen heraus an das aufnehmende Krankenhaus gesendet werden, was den Fachkräften in der Notaufnahme ermöglicht, sich gut auf die eintreffenden Patient*innen vorzubereiten. In beiden Anwendungsfällen wird wertvolle Zeit gewonnen, die zum Beispiel bei schweren Unfällen oder schweren akuten Erkrankungen Leben retten kann.
Zuerst soll das Verfahren in einigen Rettungs- und Notarztwagen des Landkreises Spree-Neiße/Wokrejs Sprjewja-Nysa getestet werden. Nach erfolgreicher Umsetzung ist eine regionale Ausweitung möglich. Die Technologie dient einer schnelleren und zielgerichteten Behandlung der Patienten in den ländlichen Gebieten, um Leben retten zu können, hilft aber auch dabei, die längeren Wege und den Ärztemangel im ländlichen Raum auszugleichen. Gefördert wird dieses Strukturwandelprojekt aus Mitteln der Strukturförderung für die Lausitz und den Bund aus Mitteln des Investitionsgesetzes der Kohleregionen.
„Smart-City Forst (Lausitz)/Baršć (Łužyca)“
Mit der feierlichen Eröffnung durch Königin Silvia von Schweden im September 2023 wurde ein weiteres Gesundheitsprojekt, die „Smart-City Forst (Lausitz)/BaršĆ (Łužyca)“ im Rahmen des Bundesmodellvorhabens „Unternehmen Revier“ an den Start gebracht. Zusammen mit der Stiftung „Silviahemmet“ sollen Menschen mit Demenz ein möglichst selbstständiges Leben führen und ein professionelles Betreuungsnetzwerk erhalten. Im Stadtzentrum der Kreisstadt sind für rund 2,4 Millionen Euro insgesamt zwölf demenzorientierte Wohnungen und zwei Wohngruppen mit moderner Technik entstanden. Unterstützt wird das Projekt durch die Lausitz Klinik Forst GmbH, die Forster Wohnungsbaugesellschaft GmbH, die Ernst von Bergmann Care GmbH und die Visality Consulting GmbH. Darüber hinaus sollen Anbieter aus den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Kultur und Soziales geschult und hinzugezogen werden. Die Schaffung demenzsensibler Strukturen und die Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Lausitz sind entscheidende Schritte für die Attraktivität der Region und für das Wohlbefinden der hier lebenden Menschen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Bundesmodellvorhabens „Unternehmen Revier“ gefördert, welches seit 2017 auf der Grundlage des „Regionalen Investitionskonzepts“ (RIK) und der Förderrichtlinie „Unternehmen Revier“ des Bundes innovative Projekte zur Bewältigung der Folgen des Strukturwandels unterstützt, und bei deren Umsetzung der Landkreis Spree-Neiße/Wokrejs Sprjewja-Nysa als Abwicklungspartner des Bundes für das gesamte Lausitzer Revier gemeinsam mit dem Regionalpartner der Wirtschaftsregion Lausitz regelmäßig Ideenwettbewerbe durchführt, um neue Dienstleistungen und
Kooperationen, neue Produkte und Wertschöpfungsketten sowie zukunftsfähige Geschäftsfelder in den Unternehmen zu entwickeln und dadurch Arbeitsplätze und nachhaltige Wertschöpfung in der Region zu schaffen und zu sichern.
Weitere innovative Gesundheitsprojekte werden durch die Kommunen des Landkreises und die dort ansässigen medizinischen Einrichtungen geplant und umgesetzt und durch den Landkreis begleitet. Dabei umfassen Projekte durchaus auch mehrere wichtige Themenfelder der Strukturentwicklung gleichzeitig, verbinden mehrere Fragestellungen und schaffen nicht nur theoretische Möglichkeiten, sondern praktische Umsetzung.
So gehört, ebenso wie Gesundheit und medizinische Versorgung, die Mobilität zu den Aspekten, die in Spree-Neiße neu gedacht werden. Es gilt, dabei auch Technologien einzubeziehen, die über eine Fortbewegung auf Straßen oder Schienen hinausgehen.
„CureFly“
Mit dem Ziel, eine verbesserte medizinische Versorgung mit klimafreundlicher Mobilität zu verknüpfen, wird mit dem Projekt „CureFly“ ein neuer Weg in der medizinischen Logistik eingeschlagen. Ausgehend vom Naëmi-Wilke-Stift in Guben werden medizinische Proben per UAS (unbemanntes Luftfahrzeugsystem) – umgangssprachlich „Drohnen“ – an ein Labor in Cottbus/Chóśebuz transportiert. Gefördert vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, wird das Ziel verfolgt, durch die Umsetzung eines drohnengestützten Transports medizinischer Proben eine bessere Versorgung außerhalb von Metropolregionen zu erreichen. Das Vorhaben dient zudem dem Training eines Regelbetriebes von Drohnen zum Transportzweck zwischen Krankenhäusern und Laboren, um eine Analyse von Laborproben in kürzester Zeit zu ermöglichen.
Ob der Test erfolgreich, erfahren Sie hier.
Foto: Jörg Tudyka
„BVLOS Area Lausitz“
Auch das Vorhaben „BVLOS Area Lausitz“, welches der Landkreis in Zusammenarbeit mit seinen Kommunen umsetzen will, ordnet sich in das Thema der unbemannten Luftfahrt ein. Der Einsatz von Drohnen für zivile Anwendungen erfährt seit einigen Jahren zunehmend Aufmerksamkeit. Erste positive Erfahrungen im internationalen Kontext belegen, dass unbemannte Luftfahrzeuge eine lohnende und wirtschaftlich effiziente Lösung für medizinische Transporte und/oder zum Zwecke der Nahversorgung in infrastrukturell weniger erschlossenen Regionen darstellen. Die bestehende rudimentäre Nutzung der unbemannten Luftfahrt im Bereich der medizinischen Versorgung kann langfristig in der Lausitz flächendeckend ausgeweitet werden. Das Projekt befindet sich derzeit in der Projektentwicklung und umfasst die Entwicklung einer entgeltlichen, aber diskriminierungsfreien, wirtschaftsnahen Infrastruktur für den Wachstumsmarkt der unbemannten Luftfahrt in Brandenburg.
„Mobility Campus“
Solch ein Fortschritt braucht kluge, qualifizierte Köpfe, weshalb auch im Bereich der Bildung neue Wege bestritten werden müssen und von den Schulen und Kommunen des Landkreises mit Unterstützung der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft CIT GmbH vorangetrieben werden. Der „Mobility Campus“ setzt mit seinen vier Schwerpunkten – berufliche Frühorientierung; Ergänzung/Qualifizierung zu bestehenden Berufsbildern durch Vermittlung von Bildungsinhalten zu vertikaler und autonomer Mobilität; Ausbildung/Zertifizierung von Mechatronikern der unbemannten Luftfahrt; anerkannte Weiterbildung von pädagogischem Personal – hier an. Das Projekt soll Kinder und Jugendliche vermehrt für sogenannte MINT-Themen, d.h. für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistern, ihnen diese altersgerecht vermitteln und die berufliche Orientierung von Schüler*innen unterstützen, die sich für technische Berufe, gerade in der Luftfahrt, interessieren. Zudem sollen regionale Unternehmen Qualifizierungen und Weiterbildungen zur Drohnennutzung angeboten bekommen.
„DroneMasters Academy“
Thematisch daran anschließend und nicht weniger innovativ ist das seit 2021 laufende Projekt der „DroneMasters Academy“, welches sich mit Drohnen und Drone Racing für Informatik, Technik und Naturwissenschaften in der Lausitz beschäftigt. In Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Neuhausen/Spree und der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft CIT – Centrum für Innovation und Technologie GmbH sowie dem Oberstufenzentrum I des Landkreises Spree-Neiße/Wokrejs Sprjewja-Nysa wurden verschiedene Workshops für Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren durchgeführt, in denen über vielseitige Formate ein Zugang zu dem spannenden Themenfeld „Drohne“ und den damit einhergehenden Einsatzgebieten geboten wurde. Dabei wird der Umgang mit der neuen Technologie auch genutzt, um elementare Kenntnisse aus den MINT-Fächern zu vermitteln. Die „DroneMasters Academy“ verbindet somit Drohnentechnologie mit digitaler Bildung und naturwissenschaftlichen Grundlagen. Finanzelle Unterstützung durch Kofinanzierung erhält das Projekt aus EU-Mitteln im Rahmen des Kooperationsprogramms INTERREG.
Die Auswahl der hier vorgestellten Projekte zeigt, dass der Strukturwandel in der Lausitz und in Spree-Neiße in vollem Gange sind. Nun gilt es, diese für die Bürger*innen sichtbar zu machen und mit dem Fortschritt durch Technik auch eine Steigerung der Attraktivität der Region herbeizuführen. Wirtschaftliche Stabilität und regionale Wertschöpfungsketten sind wesentliche Voraussetzung, um weiterhin zukunftssichere und zugleich nachhaltige Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Dies ist gewiss ein Spagat, der im Lausitzer Revier mit dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bewältigt werden muss.
Etwas Geduld, aber vor allem Durchhaltevermögen sind dabei gefragt, denn die Strukturentwicklung ist ein Prozess, der schrittweise, aber beständig zu Ergebnissen führt. Schnelle Resultate stehen dabei weniger im Vordergrund als langfristig erfolgreiche Vorhaben, welche durch die aufwendigen Werkstattprozesse der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL) und die Bestätigungen durch die Interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) gewährleistet werden. So entsteht in Spree-Neiße ein Mehrwert für den hiesigen Wirtschaftsstandort, wobei die Lebensqualität durch die landschaftlichen und kulturellen Schätze der Lausitz bewahrt bleibt und durch neue Wertschöpfung weiter verbessert wird.
Titelbild: Drohnen spielen bei der Strukturentwicklung des Landkreises eine große Rolle. Ob neue Wege bei der medizinischen Logistik (LabFly), dem neuen Ausbildungsberuf Mechatroniker für unbemannte Luftfahrt (Mobility Campus) oder der spielerischen Vermittlung von Kenntnissen in den MINT-Fächern (Drone Masters Academy) und weiteres mehr – Spree-Neiße schreitet auch hier voran. Foto: Thomas Zügel, Tholeg
Schon ins Printmagazin „STARK für die LAUSITZ“ geschaut?
Im Oktober 2023 erschien die aktuellste Printausgabe des „STARK für die LAUSITZ“-Magazins. Diese Ausgabe ist vor allem von den Leuchtturm-Projekten des Landkreises Spree-Neiße aber auch die der Städte Forst, Guben und Spremberg geprägt.
Natürlich werfen wir aber auch wie immer einen Blick auf die Entwicklungen in der Oberlausitz. Das alles haben wir unter dem Titel „Wandel durch Innovation“ auf 48 Seiten kompakt dargestellt. Hier geht’s zum kostenfreien E-Paper.