Warum zwei „ausgewanderte“ Sprembergerinnen in die Lausitz zurückkehrten
2010 verließen Janine Biener und Marilyn Seitz die Lausitz, um sich als Gesundheits- und Krankenpflegerin ausbilden zu lassen. Nach erfolgreichem Abschluss sammelten sie in unterschiedlichen Stationen praktische Erfahrungen – als Festangestellte, bei Personalleasing-Firmen, freiberuflich – und das bundesweit. 2017 fanden die beiden Freundinnnen auch beruflich wieder zusammen und vermittelten sich gegenseitig als freies medizinisches Personal auf Zeit – in Spremberg.
C.M. Schwab
„Wir haben viel erlebt und erlebt, aber zu Hause in Spremberg war es doch immer am schönsten.“ Einer der Gründe, warum sie sich wieder gen Heimat wandten, verbindet sie mit vielen anderen „Rückkehrern“ – die Familienplanung begann. Plötzlich war da die Großstadt nicht mehr so attraktiv. Allerdings kehrten sie nicht „blauäugig“ zurück: „Als junger Mensch ist man sich bewusst, dass man auf Vieles in einer Kleinstadt wie Spremberg verzichtet. Ohne ein Auto ist man verloren, Essen gehen egal wann und was, wird plötzlich sehr schwierig. Abends noch spontan einen Cocktail trinken ist so gut wie unmöglich und Partys am Wochenende? Schwamm drüber“, berichtet das Unternehmerinnen-Duo lachend. „Aber man arrangiert sich – es wird dann eben das Glas Wein auf der Terrasse und die Garagenparty bei Freunden. Überhaupt Freundschaften- die entwickeln dadurch einen höheren Stellenwert. Und wir feiern verrückte private Partys“, betont Janine Bieber. Marilyn Seitz ergänzt: „Unsere Kinder wachsen jetzt wie auf dem Dorf auf und nicht neben der S-Bahn Station. Wir würden jederzeit wieder hierherkommen.“
Nicht so schön wie in der Lausitz
Als die beiden jungen Frauen merkten, dass der Bedarf nach Leasing-Personal im Pflegebereich mehr als gedacht vorhanden war, stellten sie ein. Mittlerweile gibt es eine zweite Filiale, das Unternehmen beschäftigt 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Einzugsgebiet von Alohomora reicht vom Speckgürtel Berlins bis an den Rand Dresdens. Hätte man nicht auch anderswo ein solche Firma gründen können? „Hätten wir, klar“, bestätigt Janine Biener. „Aber unsere Umgebung wäre nicht so schön wie hier in der Lausitz und wir hätten mehr Konkurrenz.“ Denn das Konzept von Alohomora, dass man sich Krankenschwestern und Pflegepersonal auf Zeit ausleihen kann, erwies sich in der Region als fast exklusiv – und deshalb stark nachgefragt.
Die Story von Janine Bieber und Marilyn Seitz ist cool – aber noch immer die Ausnahme. Was sollte sich in ihrer Heimat tun, dass noch mehr Ex-Lausitzer wieder zurückkehren bzw. mehr Fachkräfte „Neu-Spremberger“ werden.
Die Zuständigkeit der öffentlichen Hand
„Die Infrastruktur muss besser werden, z.B. Anbindung an Autobahnen. Die Bahn nur stündlich nach Cottbus reicht nicht, von Dresden reden wir erst gar nicht. Der Feierabendverkehr auf dem Berliner Ring ist ein Witz gegenüber dem von und nach Cottbus. Was Freizeitangebote für Kinder und Familien betrifft, versuchen Vereine und Gewerbetreibende sehr engagiert, dass zu kompensieren. Aber das gehört viel mehr in die Zuständigkeit der öffentlichen Hand“, sind die beiden Firmenchefinnen überzeugt. „Der Fokus sollte nicht nur in der Wirtschaft liegen, um Zuwanderer zu gewinnen, sondern auch auf der Familienfreundlichkeit, der Lebensqualität – denn ohne Familien keine Wirtschaft.“ Dieses Umfeld unterscheide sich nicht von dem, was auch dringend benötigte ausländische Fachkräfte in die Region ziehen und halten kann, sind sich Janine Bieber und Marilyn Seitz sicher.
Zurück in die Zukunft – Erzähl uns von Deiner Rückkehr nach Spremberg
Warum kehren Menschen zurück in in die Städte Zeitz und Spremberg?
Infolge aktueller Strukturstärkungsmaßnahmen und Förderprogramme entstehen in den beiden ostdeutschen Braunkohleregionen neue Arbeitsplätze in Wissenschaft, Forschung und moderner Industrie. Gleichzeitig suchen viele kleine und mittelständische Betriebe im Handwerk und Handel gut ausgebildete Fachkräfte und Nachfolger. Dabei geraten ehemalige Bewohner der Region, die nach einer Zeit der Abwesenheit für Ausbildung, Studium oder Beruf in ihre Heimat zurückkehren – Rückkehrerinnen und Rückkehrer – als potenzielle Fachkräfte ins Blickfeld.
Die Städte Spremberg (Brandenburg) und Zeitz (Sachsen-Anhalt) wurden exemplarisch für ein Forschungsprojekt ausgewählt, das herausfinden möchte, aus welchen Gründen Rückkehrer zurückkehren und welche Erfahrungen sie bei diesem Schritt gemacht haben. Das Forschungsprojekt „Willkommenssalons zur Analyse der Bedarfe und Wünsche Rückkehrender in die ostdeutschen Braunkohlereviere“ wird vom Institut für Resilienz im ländlichen Raum (IRLR) mit Sitz in Annahütte/OSL durchgeführt und findet im Auftrag des Kompetenzzentrums Regionalentwicklung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Cottbus statt.
In Willkommenssalons Erfahrungen austauschen
Das IRLR wird in den kommenden Monaten jeweils zwei „Willkommenssalons“ mit Zurückgekehrten als moderierte Gesprächsforen durchführen und mit ihnen über Motivationen für die Rückkehr, Erfahrungen, positive Erlebnisse, Herausforderungen etc. sprechen. Die Erkenntnisse sollen dazu dienen, Empfehlungen für die gezielte Ansprache von aktuellen und potenziellen Rückkehrern und anderen Zuwanderern zu entwickeln.
Diese Empfehlungen sollen dann in die Braunkohleregionen zurückgespielt und in Maßnahmen zur Entwicklung und Imagebildung der Regionen integriert werden, zum Beispiel in Bundesprogramme zur Strukturförderung und Regionalentwicklung sowie für Beratungen auf regionaler und kommunaler Ebene zur Ansprache von Rückkehrern. Die Ergebnisse der Willkommenssalons werden in einer Buchpublikation für eine breite Öffentlichkeit dargestellt und in den Städten Spremberg und Zeitz in zwei Veranstaltungen im Frühsommer 2024 präsentiert.
Aktuell werden Mitwirkende gesucht
Um diese Rückkehrenden zu finden wurde eine kurze Umfrage vorbereitet: www.irlr.de/zukunft/
Die Veranstaltung in Spremberg ist für den 17.01.2024 von ca. 17 bis 19 Uhr geplant.
Sieht so das Spremberg der Zukunft aus? Mehr dazu hier auf den Seiten 18-20 und 46-47.
„STARK für die LAUSITZ“ mit großem Spree-Neiße-Special
Im Oktober erschienen ist die aktuelle Ausgabe des „STARK für die LAUSITZ“-Magazins des WochenKurier. Dieses Magazin ist von den Leuchtturm-Projekten des Landkreises Spree-Neiße sowie der Städte Forst, Guben und Spremberg geprägt. Natürlich werfen wir aber auch wie immer einen Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Oberlausitz. Das alles haben wir unter dem Titel „Wandel durch Innovation“ auf 48 Seiten kompakt dargestellt.
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