Umsiedlungsfilm gibt Hoffnung: „Müssen selbst aktiv für die Lausitz werden“
„Es kommt darauf an das Hoffen zu lernen“ ist ein Film, der kürzlich in der Ober- und Niederlausitz für überfüllte Kinosäle gesorgt hat. So auch Anfang März im Spreekino in Spremberg. In langsamen Bildern und mit künstlerischen Installationen erzählt der Film von den Umsiedlungsgeschichten der Menschen. Wie Besucher und Regisseurin die Deutschlandpremiere in der Drehregion erlebt haben.
Jannis Simons
Reger Andrang an einem Mittwochabend im Spremberger Kino. Eine Schlange von Menschen wartet nicht auf die Filmpremiere des nächsten Hollywood-Blockbusters, sondern auf einem Film, der vor der eigenen Haustür gedreht wurde. Annette Dorothea Weber vom „COMMUNITYartCENTERmannheim“, einer Soziokultureinrichtung in Baden-Württemberg, arbeitete von 2020 bis 2022 an einem künstlerischen Film über die Umsiedlungsgeschichten von Lausitzern, der vom Weggehen und Wiederankommen erzählt. Dass sich eine Nicht-Lausitzerin für die Thematik begeistern ließ, kommt nicht von ungefähr. Die Regisseurin hat Freunde aus Hoyerswerda und war schon öfters in der Region zu Besuch gewesen, ohne Genaueres über den Braunkohleabbau und die Bedeutung dahinter zu erfahren. In den überregionalen Medien sei immer nur das rheinische Revier thematisiert worden, berichtet Weber. Irgendwann habe sie mal Etwas über Mühlrose gelesen. Ein Ortsteil der Gemeinde Trebendorf im nördlichen Teil des Landkreises Görlitz, das der Braunkohle noch komplett weichen könnte. Bereits heute ist das Dorf von drei Seiten von den tiefen Löchern des Braunkohletagebaus Nochten umgeben. Dass dort ständig Politiker vorbeigeschaut haben und sich die Menschen vor Ort teilweise „wie im Zoo beobachtet“ gefühlt haben, beschäftigte die Regisseurin, die in Berlin Darstellende Kunst studiert hat. Dann kam ihr die Idee, über Geschichten der Umsiedelungen zu berichten. Als Grundlage diente Weber das Buch „Bergbau-Umsiedler: Erfahrungsberichte aus dem Lausitzer Braunkohlenrevier“ von Frank Förster.
Foto: Simons
„Das reicht mir nicht“
Sowohl während der Filmarbeiten als auch bei den meist ausverkauften Vorführungen in Cottbus, Weißwasser, Hoyerswerda, Schleife und eben in Spremberg habe das Produktionsteam gemerkt, dass Viele die ganzen Umsiedlungsgeschichten noch gar nicht richtig verarbeitet haben. „Mehrere Menschen haben mir erzählt, dass sie in den 80er oder 90er Jahren noch Kinder waren, anschließend ihren Beruf gemacht haben und sich mit der Thematik bis jetzt nicht intensiv auseinandergesetzt haben.“ Jetzt sind oder kommen viele ins Rentenalter und dabei komme Vieles wieder hoch, was erlebt und verloren wurde, schildert Weber ihre Eindrücke. Nach den Vorführungen kamen deshalb noch viele rege Gesprächsrunden zustande. Teilweise hatte die Filmmacherin das Gefühl, dass Menschen zu diesem Thema erstmals offen ins Gespräch mit anderen gekommen sind. Natürlich ist es aber auch das Zukunftsweisende, was die Menschen zu diesem Film zieht. „Es ist aktuell ein extrem lebendiges Thema in der Region. Über die Frage ‚Wie geht‘s denn weiter nach dem Braunkohleausstieg?‘ werde viel gedacht, gestritten und überlegt“, nimmt die Regisseurin wahr.
Dadurch kamen die Besucher mit ganz unterschiedlichen Erwartungen an den Film in die Kinos. So lautete ein Feedback: „Nur zu hoffen reicht mir nicht. Was machen wir denn jetzt?“ Weber entgegnete nach der Vorstellung in Spremberg: „Ich wollte mit diesem Film die alten Geschichten erzählen und wie diese verarbeitet wurden, wenn der Ort verloren wurde mit der Gewissheit: Nie mehr dorthin zurück zu können.“ Dass es kein klassischer Dokumentarfilm, sondern ein künstlerischer Film ist, sei an dieser Stelle noch einmal zu betonen.
„Wir müssen auch selbst aktiv werden“
„Hoffen allein reicht nicht, wir müssen auch selbst aktiv werden. Der volle Kinosaal gibt mir die Hoffnung, dass viele hier Etwas tun wollen, um aus der Lethargie auszubrechen, in der wir so ein bisschen verfallen sind“, lautete die ermutigende Botschaft einer Kinobesucherin. Damit verfolgt dieser Film auch eine klare Intention, denn auch positiv gestimmte Rückkehrer in die Region kommen darin zu Wort. Trotz der unterschiedlichen Sichtweisen älterer und jüngerer Lausitzer, die Weber bei ihrer „künstlerischen Forschung“ einfließen lassen hat, war der Großteil der Besucher in den Lausitzer Kinosälen doch eher im gesetzten Alter. Michael Apel, Geschäftsführer der SKK Spremberger Kino und Kultur GmbH, fände es jedoch ungemein wichtig, dass sich auch die jüngere Generation diesen Film anschaue, um zu sehen und zu verstehen, was solche Umsiedlungsgeschichten für die Betroffenen bedeutet haben. „Auch in den anderen Bundesländern müsse damit gezeigt werden, welche Opfer die Lausitz bringen musste, um es zu Hause warm zu haben“, ergänzte der Kinobetreiber. Dies hat die Regisseurin auch vor, wollte aber unbedingt hier in der Region damit starten. Aufgrund der großen Nachfrage zeigt das Spreekino Spremberg am kommenden Sonntag, den 12. März, um 14.00 Uhr den Film noch einmal (www.spreekino.de/programm). Darüber hinaus biete die ganze Thematik für Annette Dorothea Weber genügend Stoff für eine filmerische Fortsetzung, ließ sie an dem Mittwochabend in der Perle der Lausitz durchblicken. Die Geschichte der Lausitz ist nämlich noch längst nicht abgeschlossen.