Rückblick auf drei Jahre Strukturwandel in der Oberlausitz
Mit dem dritten Revierstammtisch Mitte September in der Energiefabrik Knappenrode kamen politische Akteure und Macher aus der Lausitz zu Wort. Sie zogen eine Zwischenbilanz aus drei Jahren Strukturwandelprozess in der Oberlausitz, nennen Chancen, Potenziale, aber auch Dinge, die weniger gut gelaufen sind.
Aus der Herbstausgabe des STARK für die LAUSITZ-Magazins 2023.
Was lief gut und wo muss noch nachjustiert werden?
„Die Lausitz hat die Chance, eine der beliebtesten Tourismusregionen Europas zu werden.“, lauteten die Einstiegworte von Gerd Prantner, dem langjährigen Hotelexperten, Gesellschafter und Investor. Der 83-jährige ist der Einladung des Staatsministers Thomas Schmidt gefolgt, der im Freistaat Sachsen für die Regionalentwicklung zuständig ist und am 13. September zum dritten Revierstammtisch in die Energiefabrik Knappenrode einlud. Neben Hotelexperte Prantner haben sich politische Akteure und Macher aus der Lausitz für die öffentliche Diskussionsveranstaltung angekündigt. Die geschichtsträchtige Location der ehemaligen Brikettfabrik war der passende Ort gewesen, um drei Jahre intensive Strukturwandelarbeit in den betroffenen Kohleregionen der sächsischen Lausitz Revue passieren zu lassen – mit all seinen Chancen, Risiken und Herausforderungen.
Potenziale im Tourismus nutzen
Gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion sprach Moderator Lukas Rietzschel den Tourismus in der Lausitz an. Hotelier Prantner sieht darin große Chancen und Potenziale. Am Mikrofon ließ er sogar verlauten, dass er für die Stadt Hoyerswerda drei Hotels vorgesehen hat. Zum einen soll das Congress-Hotel auf Vordermann gebracht werden. Zum anderen plant der in Südtirol aufgewachsene Investor direkt neben dem Lausitzbad ein maßgeschneidertes Hotel zu errichten. Auch auf dem Scheibe-See möchte er Touristen die Möglichkeit zum Übernachten anbieten. Dabei sollen die Hotels europaweit vermarktet und im besten Fall in weltweite Hotelketten integriert werden, um von den Netzwerken und Synergieeffekten profitieren zu können.
Die Beigeordnete des Landkreis Bautzen, Dr. Romy Reinisch, ergänzte, dass die Lausitz auf kurzem Wege sehr viel zu bieten habe. So könne man vom Lausitzer Seenland über die historischen Städte Bautzen und Görlitz bis in den Süden der Oberlausitz fahren, um sich im Ski-, Wander- oder Radsport vergnügen zu können. „Wir brauchen uns in der Region nicht verstecken. Wir haben mehr zu bieten, als wir denken“, sagte die Beigeordnete. Staatsminister Thomas Schmidt stimmte seinen Vorrednern zu und sprach die Wichtigkeit des Rufes einer Region an: „Die Touristen kommen nur, wenn das Image der Region als positiv wahrgenommen wird.“ Alle in der Runde waren sich einig, dass es trotz der bisherigen angeschobenen Tourismus-Projekte in der Lausitz noch Entwicklungspotenzial gibt – sowohl in der Umsetzung als auch in der Vermarktung nach außen hin.
Foto: Sandro Paufler
Es hakt noch an der Kommunikation im Strukturwandel
Entwicklungspotenzial gibt es auch in der Art und Weise, wie der Strukturwandel in die breite Öffentlichkeit kommuniziert wird. So sehen laut Umfragen des Lausitz-Monitors nur 39 Prozent der Befragten die Informationen über den Strukturwandel als transparent. Bei der Befragung haben über 1.000 Menschen aus Brandenburg und Sachsen teilgenommen. Die Macher des Lausitz-Monitors kamen zu dem Entschluss, dass die Informationen rund um den Strukturwandel nicht nur intensiviert, sondern zielgruppengerechter transportiert werden müssen. Während der Moderator Rietzschel diese Information vorlas, nickten alle in der Runde zustimmend.
„Als das Strukturstärkungsgesetz im August 2020 beschlossen wurde, wurden ganz viele Erwartungen bei den Kommunen und Städten geweckt. Man dachte zunächst, dass alle möglichen Bauprojekte vom Bund bezahlt würden“, erklärte Dr. Romy Reinisch dem Publikum. Dabei seien Strukturwandelprojekte in der Förderung ganz klar definiert. Laut Reinisch hat es ein wenig Zeit gebraucht, bis man in der Region verstand, welche Projekte überhaupt für eine Förderung aus den Kohlemillionen in Frage kommen könnten. Staatsminister Schmidt ergänzte, dass man im Nachhinein mehr Aufwand in die Kommunikation der breiten Öffentlichkeit und der Verwaltung investieren hätte sollen.
Auch der Bürgermeister von Hoyerswerda, Mirko Pink, teilte seine Erfahrungen in der Runde: Er gab zu verstehen, dass der Strukturwandel für die Bevölkerung erst dann sichtbar wird, wenn der Grundstein gelegt und die Bauarbeiten konkret starten würden. „Erst dann sehen die Leute, dass sich was in ihrer Heimat bewegt.“
Die Lausitz als Vorreiter in Technologie und Forschung?
Ein weiteres großes Thema beim dritten Revierstammtisch war die Ansiedlung von Technologie und Forschung in der Lausitz gewesen. Dazu kam Prof. Lothar Kroll von der Technischen Universität Chemnitz zu Wort: „Wir wollen in der Lausitz die einmalige Technologie entwickeln.“ Große Möglichkeiten sehe er beim Werkstoff Carbon, der ein Rohstoff der Zukunft sei, so der Professor. In seiner Forschung geht es bei dem 64-Jährigen unter anderem darum, den Werkstoff für die Massenproduktion, etwa für die Automobilindustrie, in massentauglicher Form herstellen zu können. Noch besser: Carbon soll nachhaltig werden. Statt Kunststoff soll in Zukunft das nachwachsende Holzabfallprodukt Lignin verwendet werden. Professor Kroll könnte sich eine Forschungseinrichtung dieser Art in der Lausitz vorstellen.
Sicher ist, dass sich das Deutsche Zentrum für Astrophysik in der Lausitz ansiedeln möchte. Dazu soll in Görlitz ein hochmodernes Rechenzentrum entstehen. Von dort aus sollen Datenströme von astronomischen Observatorien aus der ganzen Welt zusammenlaufen. Spannend wird es zudem in der bei Kamenz liegenden Gemeinde Ralbitz-Rosenthal, wo die Verantwortlichen ein riesiges Untergrundlabor realisieren möchten. Mit 1,4 Milliarden Euro wird die Einrichtung aus Mitteln des Strukturwandels finanziert. Bis zu 1.000 neue Arbeitsplätze werden in und um die Forschungseinrichtung erwartet. Der Baustart ist für 2026 anvisiert. „Es ist wohl das größte Forschungsprojekt, das je in Deutschland vergeben wurde“, erklärte der Projektverantwortliche Professor Günther Hassinger damals bei einer Pressekonferenz.
Die Beigeordnete Dr. Romy Reinisch sieht ebenfalls die Vorteile einer astrophysikalischen Forschungseinrichtung in der Lausitz: „Praktische Erfindungen wie WLAN, Ceranplatten oder Gleitsichtgläser kommen ursprünglich aus der Astrophysik. Sie haben also auch einen sinnvollen Nutzen für die Allgemeinheit gebracht.“
Die Devise lautet: Den Strukturwandel positiv nach außen tragen
„Eine Bitte habe ich an alle hier im Raum versammelten Menschen: Wir werden uns sicherlich intern kritisch und konstruktiv mit dem Thema befassen, aber nach außen sollten wir die positiven Fortschritte nennen, sollten die Erfolge an den Geburtstagstischen weitersagen, weil dort findet Kommunikation und Meinungsbildung statt. Der Strukturwandel ist eine einmalige Chance für die Lausitz“, findet Mirko Pink die treffenden Abschlussworte des dritten Lausitzer Revierstammtisches in der Energiefabrik Knappenrode.
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