Nieskyer Bahnhof soll zum Mobilitätszentrum werden
Der Bahnhof in Niesky wird mit Geld aus dem Strukturwandel-Topf saniert und umgebaut. Die Bauarbeiten sollen im Sommer beginnen. Was alles geplant ist und welche Frage der Finanzierung noch geklärt werden muss.
Aus der Frühjahrsausgabe 2024 des STARK für die LAUSITZ-Magazins
Grünes Licht vom Bund gab es am 18. März. Da kam für die moVeas das Zeichen aus Berlin, dass das Projekt „Innovatives Mobilitätszentrum Niesky“ mit Kohlegeld gefördert werden kann. Zuvor war es bereits im November 2023 vom Regionalen Begleitausschuss abgesegnet worden. Auf knapp 3,8 Millionen Euro Gesamtkosten wird das Vorhaben geschätzt. Darin inbegriffen ist der Kauf der Gebäude, die zuvor in privater Hand
waren. Gekauft hat sie die moVeas GmbH, die seit Anfang vergangenen Jahres unter dem Markennamen „Omnibusverkehr Oberlausitz“ mit ihren Bussen den ÖPNV im Norden des Landkreises und im Görlitzer Umland bedient. Das Unternehmen war auch direkt in das Gebäude eingezogen.
Nach der Zustimmung vom Bund hieß es für die moVeas, den Förderantrag sowie Bauanträge und Ausschreibungen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen, damit möglichst noch im Sommer 2024 mit den Arbeiten begonnen werden kann. All das war bereits vorbereitet. Das Unternehmen ist also in Vorleistung gegangen. Denn der Zeitraum für die Umsetzung ist nicht gerade üppig bemessen. „Ende 2026 muss alles fertig sein, dass sieht die Förderrichtlinie so vor“, sagt Knut Gräbedünkel, Geschäftsführender Gesellschafter der moVeas GmbH.
Zweieinhalb Gebäude werden saniert
Die Sanierungs- und Umbaupläne beziehen sich auf das Hauptgebäude, ein Nebengebäude und einen Anbau an dem nahegelegenen Backsteingebäude, einem Güterschuppen. Es gab Überlegungen, auch den Güterschuppen zu kaufen und zu sanieren. Allerdings gehört das
Gebäude der Deutschen Bahn. Und die möchte es nicht verkaufen. „Das Gebäude und das dahinter befindliche Abstellgleis wird auch regelmäßig genutzt“, sagt Nieskys Oberbürgermeisterin Kathrin Uhlemann.
Der Nieskyer Stadtrat hatte dem Konzept der moVeas bereits im Juli 2023 zugestimmt und auch beschlossen, das Vorhaben zu bezuschussen. Die Stadt ist mit im Boot, um die Förderung über Strukturwandel-Mittel möglich zu machen. „Hier bekommt ja ein privates Unternehmen Mittel aus dem Strukturwandel, die sonst nur Kommunen bekommen. Das funktioniert nur, wenn wir als Stadt sagen, dass wir daran ein Interesse haben“, erklärt die Bürgermeisterin. Und dieses Interesse, den Bahnhof wieder zu beleben, ist natürlich da. Aber damit allein ist es nicht getan. Es müssen auch öffentliche Funktionen in den Gebäuden verankert sein.
Schulungsraum, Gastro und Tagesübernachtung
Deswegen ist beispielsweise das Nebengebäude für eine Vereinsnutzung vorgesehen. In ihm soll ein Schulungs- und Veranstaltungsraum entstehen. Hier könnte beispielsweise die Verkehrswacht ihre Verkehrserziehung durchführen. Im Bahnhof selbst sollen im Erdgeschoss neben einer schicken Empfangshalle auch ein Bistro, eine Touristinfo mit Kiosk, ein Ticketschalter, ein Smartkundencenter, ein Pausenraum und Toiletten entstehen. Im ersten Stock hat die moVeas bereits ihre Räume und will dort auch bleiben. Nur während der Umbauphase zieht man vorübergehend in das Nebengebäude. Wichtig zu wissen ist, dass die Räume, die das Unternehmen für die Eigennutzung saniert, nicht gefördert werden. Diesen Teil zahlt das Unternehmen selbst. Außerdem soll in dem Stockwerk eine Tagesübernachtung entstehen. Drei weitere davon sind im Dachgeschoss vorgesehen. Vorstellbar ist, dass der ein oder andere Tourist diese kleinen Appartements nutzt, die Hauptzielgruppe ist aber eine andere. „Viele Unternehmen haben zum Beispiel mal Prüfgesellschaften, Berater oder Wirtschaftsprüfer, die zu ihnen kommen und dann einige Tage in Niesky sind“, erklärt Kathrin Uhlemann. Die Tagesübernachtung richtet sich also vor allem an Menschen, die geschäftlich in Niesky sind.
Im Keller des Gebäudes sieht das Konzept neben Lager- und Technikräumen auch Abstellräume für die Tagesübernachtung und Fahrrad-Abstellräume vor. Dementsprechend wird eine Rampe in den Keller führen. Bleibt der Anbau am Güterschuppen. In dem soll neben einem Büro und einem WC auch einen Fahrradverleih nebst Werkstatt entstehen.
Stadtrat: 300.000 Euro? Nein danke!
Die Kosten für den Umbau des Bahnhofs werden aktuell mit 3,785 Millionen Euro beziffert. Neben dem Geld aus dem Strukturwandeltopf und den Eigenmitteln der moVeas muss auch Niesky einen Teil der Kosten tragen. „Die Stadt muss zehn Prozent der förderfähigen Kosten zahlen“, erklärt Kathrin Uhlemann. Niesky muss daher 241.000 Euro aufbringen. Die sind im Haushalt für 2026/2027 eingeplant. Kein Pappenstiel für eine Stadt, die knapp bei Kasse ist.
Und doch aus Sicht der Bürgermeisterin nötig. Man erlebe aktuell einen wirtschaftlichen Niedergang. Die Frage sei also, wie kann man gegensteuern? Wie kann man dafür sorgen, dass wirtschaftlich etwas passiert? „Das geht, in dem ich Gewerberäume schaffe. Und das tue ich hier.“ Denn: Auch wenn die moVeas bei der Sanierung den Hut aufhat, wird sie Gastro, Tagesübernachtung und Co. im Bahnhof nicht betreiben. Die Bewirtschaftung wird ausgeschrieben, Interessenten können sich bewerben. Erste Interessensbekundungen gibt es bereits.
Bei den Eigenmitteln (nicht nur für dieses Projekt) muss die Stadt kreativ werden. Deswegen nahm die Verwaltung ein anderes Förderprojekt in den Blick, um zumindest einen Teil der Summe für die Bahnhofssanierung damit finanzieren zu können. Konkret ging es um die Förderung „Orte des Gemeinwesens“ des Freistaats. Hier können jährlich über einen Zeitraum von drei Jahren jeweils 100.000 Euro beantragt werden. Die Stadt hätte dafür jeweils 5.000 Euro als Eigenanteil aufbringen müssen. Es ging also um 300.000 Euro bei einem Eigenanteil von 15.000 Euro. Davon hätte die Stadt 100.000 Euro für Investitionen verwenden, damit die Eigenmittel für die Bahnhofssanierung drücken können. Weitere 100.000 Euro wären für die Personalstelle eines Quartiermanagers vorgesehen gewesen und die verbleibenden 100.000 Euro für Veranstaltungen.
Doch der Stadtrat lehnte es zwei Mal ab, einen Antrag bei dem Förderprojekt zu stellen. Nachdem das Vorhaben Anfang November bereits mehrheitlich abgelehnt worden war, ging die Bürgermeisterin mit der Begründung in Widerspruch, dass der Stadt durch die Entscheidung ein Nachteil entsteht. Doch auch in der Sondersitzung Ende November fand sich keine Mehrheit. Sieben Stadträte stimmten dafür, sieben dagegen. Bei einem Patt gilt der Antrag als abgelehnt.
Ideologischer Anstrich?
Aus Sicht der Bürgermeisterin gibt es für die Ablehnung mehrere Gründe. Förderprojekte so miteinander zu verknüpfen, sei ein sehr komplexes Unterfangen. So komplex, dass es eine Verwaltung an Grenzen bringe könne. Zumal die Stadt auch schon mehrfach die Erfahrung machen musste, dass sich die Spielregeln in den Programmen nachträglich ändern. So war man anfänglich beim Bahnhof von einem Eigenteil von 180.000 Euro ausgegangen. Man hatte die Anwendung eines Paragraphen anders ausgelegt als der Richtliniengeber und war von einem niedrigeren Prozentsatz ausgegangen. Solche Fälle sorgen natürlich in der Verwaltung und auch im Stadtrat für Verunsicherung.
Liest man das Protokoll der Sondersitzung des Stadtrats, wird aber noch ein anderer Grund der Ablehnung deutlich: Die Geldgeber und deren Intention. Das Förderprogramm ist ein gemeinsames des Sozialministeriums und des Justizministeriums. Es hat den „Aufbau von Sozialen Orten und Orten der Demokratie als Orte des Gemeinwesens“ zum Ziel, wie es in der Förderichlinie heißt. Stadtrat Armin Menzel (CDU) bemängelte nicht nur, dass es bereits vier Quartiermanager gebe und der Stadtverwaltung aus seiner Sicht auch nicht klar zu sein scheine, wie das Geld rechtlich sauber gebucht werden kann. Er befand auch, die Maßnahme habe „einen ideologischen Anstrich“, das Ministerium möchte den „Leuten Moral predigen“. „Das letzte, was man in Niesky brauche, sei es, den Leuten Demokratie, Moral und Recht zu predigen“.
Tatsächlich sollen die 100.000 Euro für Veranstaltungen genutzt werden, die die Demokratie fördern. Das bezieht sich laut Bürgermeisterin aber nicht auf konkrete Demokratiebildung. Auch ein Stadtfest am Bahnhof wäre denkbar und förderfähig gewesen. Doch das alles ist derzeit durch das Nein des Stadtrats hinfällig. Um die 241.000 Euro Eigenmittel für den Bahnhof aufzubringen, muss die Stadt nun an anderer Stelle sparen. Die neue Drehleiter für die Feuerwehr wurde beispielsweise hintangestellt und aus dem Haushaltsentwurf gestrichen.
Gänzlich vom Tisch ist die Chance auf die 300.000 Euro aber noch nicht. Auf Nachfrage der Stadt beim Fördermittelgeber wurde bestätigt, dass das Geld bis 30. Juni reserviert ist. Bis dahin könnte der Antrag auf Förderung also noch gestellt werden. Das müsste der Stadtrat dann aber spätestens in der Sitzung am heutigen 3. Juni beschließen.
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