Mühlrose stellt sich quer – Wann kommen die Klimaaktivisten?
Ca. 250 bis 300 Personen haben sich am vergangenen Sonntag im Ortsteil Mühlrose der Gemeinde Trebendorf (Landkreis Görlitz) zusammengefunden, um ein Zeichen gegen ein geplantes Camp von Klimaaktivisten zu setzen. Sie bildeten eine große symbolische Menschenkette rund um den Dorfkern eines Ortes, der im Zuge des Tagebaus Nochten als einer der letzten dem Braunkohleabbau in Deutschland weichen soll. Hielt diese Aktion das Aktionsbündnis „Rosi bleibt!“ fern?
Jannis Simons
Sonntagmorgen, Ende April, angenehmes Frühlingswetter: Da gibt es sicherlich viele angenehmere Ausflugs- und Aktivitätsideen für Familien aller Altersklassen als eine Protestkundgebung in einem Dorf, das mitten im Tagebau liegt. Doch schon auf dem Weg nach Mühlrose über die einzige verbliebene Zufahrtsstraße über Schleife wurde deutlich, dass sich einige Menschen, gar ganze Familien, mit Auto oder dem Fahrrad ins „schrumpfende“ Dorf aufgemacht haben, um sich gegen die geplante „Einnahme“ Mühlroses durch Klimaaktivisten zu stellen.
Diese wollten sich unter dem Namen „Rosi bleibt!“ „der perfiden Strategie der LEAG entgegenstellen“, wie sie auf ihren verschiedenen Kanälen mobilisierten. Sie berufen sich dabei auf Aussagen des sächsischen Umweltministers, Wolfram Günther (Bündnis 90/Grüne), der davon ausgehe, dass es keine Genehmigung bzw. rechtliche Grundlage mehr zum Abbaggern von Mühlrose geben wird, da die Kohle unter dem Ort nach seiner Meinung und die einiger Fraktionsmitglieder in Sachsen nicht mehr gebraucht wird. Angekündigt hatte sich das Protestcamp für den gestrigen Dienstag, den 25. April.
Breite Unterstützung aus Weißwasser, Cottbus und Spremberg
Ungeachtet dessen versammelte sich pünktlich um 10 Uhr am Glockenturm eine Menschentraube, die größer war, als das ehemalige 200-Seelendorf zuletzt Einwohner hatte. Sie alle waren dem Aufruf des Kultur- und Sportvereins Mühlrose gefolgt. Sie kamen u.a. aus Trebendorf, Schleife, Weißwasser, Cottbus und Spremberg. Vereinsvorsitzender Ernst-Gerd Paufler, einer der ersten, der vor anderthalb Jahren nach Neu-Mühlrose, einem Ortsteil von Schleife, umgesiedelt ist, eröffnete die Veranstaltung. Hinter einem Polizeiwagen wurde zunächst ein Spaziergang um den ehemaligen Dorfkern gemacht, ehe sich dann die geplante Menschenkette um diesen bildete. Kurz vor 11 Uhr war es geschafft. Jubel, Beifall, La-Ola-Welle und Glocken läuten.
Es war beeindruckend zu sehen, wie viele sich symbolisch schützend vor Mühlrose gestellt haben, obwohl die meisten das Dorf schon verlassen haben. So auch Familie Martin, die hier jahrelang eine Gaststätte geführt haben und inzwischen nach Weißwasser umgesiedelt sind. „Wir wollten umsiedeln und haben uns mehrheitlich dazu entschieden. Deshalb haben wir kein Verständnis für die Leute, die von außen kommen wollen und hier nun sinnbildlich ihre Zelte aufschlagen wollen.“ Ähnlich sieht es auch Familie Gerda und Frank Lehmann aus Weißkeisel. „Wir sind dagegen, dass längst beschlossene Sachen wieder aufgewühlt werden und damit Leute belästigt werden, die damit nichts zu tun haben.“ Beide waren oder sind noch heute bei der LEAG angestellt. Manche Besucher der Kundgebung, wie Familie Franke aus Spremberg, waren an diesem Sonntag zum ersten Mal in Mühlrose: „Wir finden das geplante Klimacamp völlig übertrieben. Hier wird Panikpolitik gemacht auf den Rücken der Leute, die sich mehrheitlich dazu entschieden haben, dass sie hier wegmöchten. Wir sind selber Umsiedler, haben den ganzen Prozess also vor vielen Jahren selber mitgemacht.“
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Zustimmung zur Umsiedlung innerhalb von Mühlrose nicht von Anfang an so hoch war. Sten Kowalick als gebürtiger Mühlrose, der auch schon in Neu-Mühlrose mit seiner Familie lebt, ist Vorsitzender des Beirates „Umsiedlung Mühlrose“. Dieser Beirat habe sich aus einer Gruppe gegründet, die im Jahr 2002 zum Erhalt von Mühlrose ins Leben gerufen wurde, erinnert sich der 43-Jährige. „Damals haben wir darum gekämpft, dass Mühlrose stehen bleiben kann. Uns wurde gesagt, dass dies zwecklos wäre und dann haben wir das akzeptiert.“ Daraus wurde also irgendwann der Beirat „Umsiedlungen“. Dieser kümmert sich z.B. um Verhandlungen mit der LEAG oder um die Planung des neuen Dorfgemeinschaftshauses, was in diesem Sommer in Neu-Mühlrose fertiggestellt werden soll.
„Der harte Kern, also alle, die sich schon immer ums Dorfleben gekümmert haben, sind nach Neu-Mühlrose gegangen. Andere sind nach Trebendorf oder ganz wo anders hingegangen. Heute bin ich hier, weil ich nicht möchte, dass mein altes Heimatdorf politisiert wird. Ich finde das einfach an der falschen Stelle“, äußert sich Kowalick deutlich.
Hielt die Menschenkette die Klimaaktivisten fern?
Bereits ein paar Tage früher, am Donnerstag, den 20. April, sollen Klimaaktivisten Mühlrose besucht haben, um „die Lage zu sondieren“. Von „absurden“ Geschehnissen spricht dieses Bündnis auf ihrem Twitter-Account. Sie schreiben, dass sie schon kurz nach ihrer Ankunft von einem Auto des Wachschutzes der LEAG verfolgt wurden, die Polizei anrückte und Personenkontrollen durchführte sowie der Sportplatz (auf dem das Zeltcamp ursprünglich geplant war) absichtlich kurz vorher zerstört bzw. umgepflügt wurde. Weiter heißt es: „Der Tag war anstrengend und hat nochmal klar gemacht mit welcher Bedrohungslage und mit welcher Stimmung wir die nächsten Wochen im Klimacamp werden leben müssen. Die LEAG und bestimmte Lokalzeitungen in der Umgebung haben ganze Arbeit geleistet, die Stimmung gegen Klimagerechtigkeitsaktvist*innen aufzuwiegeln und die Wut und der Hass, der uns begegnen wird, ist absurd und fernab jeglicher logik.“ [sic!]
Einen Tag vor dem Klimacamp gab die Organisation u.a. auf ihrem Instagram-Account dann die plötzliche und überraschende Absage bekannt, ohne einen genauen Grund zu nennen: „Das Klimacamp in Mühlrose muss leider verschoben werden.“ Weitere Informationen sollten in einer Pressemitteilung folgen, die bis heute noch nicht vorliegt.
Die Veranstalter der Menschenkette warne jedenfalls sehr zufrieden mit ihrer Aktion. Mindestens einen Kilometer lang soll Menschenkette rund ums Dorfzentrum gewesen sein. „Wir sind erstaunt, über die Bereitschaft von vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich heute hier versammelt haben, um uns zu unterstützen“, so der Vereinsvorsitzende Paufler am Ende der Veranstaltung. Die letzten Häuser mit ca. 10 Familien, die noch in Mühlrose leben, werden laut ihm in den kommenden Monaten auch umsiedeln werden. Bis Ende 2024 soll die Umsiedlung abgeschlossen sein. „Wir brauchen keine Störenfriede […], die hier Forderungen durchsetzen wollen, die in unseren Augen wenig sinnvoll sind. Wir sind die falsche Stelle für diesen Protest und wir sind froh in Neu-Mühlrose zu sein, wo wir alles auf den neuesten Stand bringen konnten.“ Auf all diese Aussagen gab es viel Applaus von allen Teilnehmern, die ganz ohne Fahnen oder irgendwelche politischen Banner und Parolen zu sehen und zu hören waren- einfach friedlich miteinander vereint.