Update: Modellregion Lausitz? Nicht nur Chance, sondern dringend notwendig
Derzeit kursieren viele Appelle an die Politik, wie die Strukturentwicklung der Lausitz im Zuge des Kohleausstiegs schneller und erfolgreich gestaltet werden kann. Ein Text dazu, gewichtig, weil von praxiserfahrenen Machern verfasst, heißt Positionspapier „Modellregion Lausitz“. Es wurde im September 2023 von mehreren regionalen Unternehmerverbänden veröffentlicht. Diese Verbände repräsentieren überwiegend die mittelständische Wirtschaft – das heißt, die Haupt-Arbeitgeber und -Steuerzahler der Lausitz. „Die Botschaft … – es gibt unterschiedliche Unternehmerverbände, aber wir stehen zusammen und sind stark“, heißt es in einer Erklärung der Verfasser.
C.M. Schwab
Das Positionspapier ist an die brandenburgische und sächsische Landesregierung gerichtet, benennt die Herausforderungen der Transformation aus Unternehmersicht und fordert zum Dialog auf. Gleichwohl wird die Sorge auf die Zukunft gerichtet – und das, noch bevor es zur aktuellen Haushaltskrise des Bundes kam. Die Haushaltskrise indes hat bewirkt, dass bereits zugesagte Fördermittel für den Strukturwandel – bis Redaktionsschluss dieses Beitrags – derzeit nicht ausgereicht werden.
(Heiko Jahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH lässt zum Beitrag über Pressesprecherin Ingvil Schirling mitteilen, dass, wie im Beitrag bemerkt, die Haushaltskrise des Bundes NICHT einen Stopp der Ausreichung bereits zugesagter Fördermittel aus dem Strukturfond bewirkt hat. Wörtlich heißt: „Mittel des Strukturstärkungsgesetzes wurden zu keiner Zeit gekürzt. Ein solcher Schritt stand auch nie zur Debatte.“)
Lausitz soll entbürokratisierte Modellregion werden
Thematisiert werden im Positionspapier u.a. das nach wie vor zu komplizierte Förderantragsverfahren für Unternehmen. Benannt wird auch das Fachkräfteproblem, dem nur länderübergreifend begegnet werden könne, was ein gemeinsames internationales Marketing, eine koordinierte Entwicklung von Integrationsstrukturen und vor allem den Ausbau von weichen Standortfaktoren – also eine gut funktionierende Infrastruktur und familienfreundliche Bedingungen – einschließt.
Zudem geht es um die Energiekrise und die mangelhafte Entwicklung alternativer Energieerzeugung, vor allem aber die dazu nötige Transport- und Speicherstrukturen. Die Verbandsvertreter kritisieren die nach wie vor ungebremst herrschende Bürokratie und eine Überregulierung von Verfahren, was den notwendigen Entwicklungen entgegensteht.
Deshalb wird die Deklarierung der Lausitz als Modellregion gefordert, was u.a. die Möglichkeit großzügiger Ausnahmen in den Rechtsvorschriften, die Eröffnung weitgehender Ermessensspielräume für Verwaltungen, die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe einschließt und damit vor allem die Beschleunigung von Bearbeitung von Anträgen und damit schnellere Entscheidungen bedeutet.
Unternehmen sind Teil der Lösung
Bei den genannten Themen stellen sich die fünf Wirtschaftsorganisationen als Ansprechpartner und Unterstützer, somit als „Teil der Lösung“, zur Verfügung: „Die Befragungen der Mitglieder unserer einzelnen Verbände ergaben ein anderes Stimmungsbild, eine andere tatsächliche wirtschaftliche Lage, als es öffentlich von den politischen Verantwortlichen gezeichnet wird. Dabei geht es uns zum einen um eine faire Darstellung: Es gibt große Erfolge und positive Entwicklungen, es gibt aber auch erhebliche Missstände, die die Wirtschaft massiv einschränken. Beides muss man klar benennen. Zum anderen setzen wir uns konstruktiv ein und machen konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Wir wollten mit dem Papier der regionalen Wirtschaft eine Stimme geben und der Politik damit auch eine Chance, zu reagieren.“
Ist das Positionspapier verpufft?
Diese Chance wurde jedoch entweder gar nicht oder nur sehr verhalten, wahrgenommen. Verwunderlich, da doch das Papier an wirtschaftspolitische Entscheidungsträger in der kommunalen, Landkreis- und Landesebene der brandenburgischen wie sächsischen Lausitz direkt adressiert rausging.
Das Positionspapier der fünf Unternehmerverbände findet sich im Wortlaut hier.
WochenKurier hakte nach und fasst die Rückmeldungen von Lausitzer Landräten, Wirtschaftsförderern und Bürgermeistern hier zusammen, um das Positionspapier in die öffentliche Diskussion zu bringen.
Vorab: Einig sind sich die kommunalen Entscheider darüber, dass das Papier im Wesentlichen die zu lösenden Probleme treffend formuliert.
Brandenburgische Lausitz
„Über Schlussfolgerungen … kann man im Detail geteilter Meinung sein“, formulierte der Oberbürgermeister von Cottbus, Tobias Schick. Er betrachtet die im Positionspapier beschriebenen Probleme allerdings als deutschlandweit zutreffend. „Somit haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Deshalb aber betrachtet er eine Modellregion nur für die Lausitz nicht als zielführend. Denn Bürokratieabbau und Beschleunigung von Bauvorhaben müsse es landesweit geben.
Peter Döll, Chef EGC GmbH, Wirtschaftsförderung von Cottbus, sieht das ähnlich wie sein Oberbürgermeister. Cottbus und die Lausitz seien auf einzelnen Feldern ja bereits Reallabore, etwa auf dem Gebiet der Wasserstofferzeugung und -nutzung. Die Fokussierung auf einzelne Vorhaben und regionale Kooperationen hält Döll deshalb für am sinnvollsten.
Foto: Simons
Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier ist da anderer Meinung. Sie sieht eine Modellregion Lausitz nicht nur als Chance, sondern als Notwendigkeit: „Wenn wir nicht modellhaft etwas Neues schaffen, werden wir scheitern.“ Den Fokus der Strukturförderung will sie zukünftig auf die weichen Standortfaktoren gelegt bekommen. Das sei im Zuge dessen, Fachkräfte in die Region zu ziehen und zu halten, vordergründig. Die Bürgermeisterin ärgert sich zudem, dass die Landesregierung davon abweicht, Fördermittel nur den Kommunen der vom Kohleausstieg kernbetroffenen Region zu geben.
Petra Axel, Geschäftsführerin der ASG, Wirtschaftsfördergesellschaft von Spremberg-Spreetal und damit auch verantwortlich für den Industriepark Schwarze Pumpe, Hotspot des Lausitzer Strukturwandels, betrachtet alle Forderungen im Positionspapier als wesentlich. Eine Modellregion sieht sie als „absolut realistisch“. Das müsse jedoch „im politischen Berlin, Potsdam und Dresden“ ebenso gesehen werden. Es wäre jedoch schon ein Anfang, drückt sich die ASG-Chefin vorsichtig aus, wenn die für die Förderungen zuständigen Verwaltungen „der Region zugewandt“ tätig sei und „die eingereichten Projekte fair bewertet bearbeitet würden.“
Der Bürgermeisterin von Forst, Simone Taubenek, geht das Positionspapier nicht weit genug, „weil wir alle immer noch in den gleichen Strukturen … denken und nicht in der Lage sind, uns komplett aus den bestehenden Regularien zu lösen und einen neuen Ansatz zu finden.“ Eine Modellregion hält sie für wünschenswert, zweifelt aber, dass das noch durchsetzungsfähig sei.
Was die Fachkräfte-Problematik betrifft, sieht sie ein Einwanderungsgesetz als lange fällig an, betrachtet aber hierbei vordergründig die Kompetenz in englischer Sprache für notwendig. Schließlich wolle man in der Lausitz ja „international unterwegs“ sein. Ob der Just Transition Fund (JTF) als Fördermöglichkeit für Unternehmen, sich für den Strukturwandel besser aufzustellen, tatsächlich genutzt wird, betrachtet sie mit Skepsis.
Dem schließt sich Fred Mahro, Bürgermeister von Guben, an. Die Mittelverwendung beim JTF erzeuge einen hohen bürokratischen Aufwand, der nur von größeren Unternehmen bewältigt werden kann. Die Fachkräfteproblematik sieht er im Papier der Unternehmerverbände treffend beschrieben. Hinsichtlich der Mobilität fehlt ihm dort jedoch eine Aussage in Richtung Osten.
Die Notwendigkeit von Entbürokratisierung und Deregulierung bestätigt er, sieht das aber ähnlich wie das Cottbuser Stadtoberhaupt als deutschland- bzw. europaweites Problem. Wichtig ist ihm besonders, dass der Strukturwandel an den Landesgrenzen nicht beendet sein darf. Er hält grenzüberschreitende Projektförderung für sehr wichtig.
Foto: Swiekatowski
Auch Heike Gensing, Geschäftsführerin der CIT GmbH, Wirtschaftsförderung des Landkreis Spree-Neiße, würde das für gutheißen. Was eine verstärkte Zusammenarbeit der brandenburgischen wie sächsischen Landkreise in Lausitz voraussetzen würde. Das Positionspapier müsse mit konkreten Maßnahmen untersetzt werden.
Für die Umsetzung einer Modellregion sieht sie jedoch angesichts der mangelhaften personellen wie auch finanziellen Ausstattung der kommunalen Verwaltungen wenig Spielraum. Wenn, wäre auch hier eine (bundes)länderübergreifende Kooperation zwingend.
Der Landrat des Spree-Neiße-Kreises, Harald Altekrüger, begrüßt die Positionen im Konzeptpapier und wertet sie als „Anstoß zur Etablierung einer Modellregion“. Allein in der Tatsache, dass sich hierzu mehrere einflussreiche Verbände zusammengefunden haben, spräche dafür, dass das umsetzbar sei. Dazu böte auch der Net-Zero Industry Act* gute Rahmenbedingungen.
Die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL) ist die Landesstrukturentwicklungsgesellschaft für den brandenburgischen Teil der Lausitz und verfolgt das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Lausitz zur stärken. Heiko Jahn, Geschäftsführer der WRL, lehnte es auf Anfrage der Redaktion ab, zum Positionspapier schriftlich Stellung zu nehmen. Er teilte mit, dass er dafür das direkte, persönliche Gespräch mit den Vertretern der Unternehmerverbände bzw. deren Mitgliedern bevorzuge. Dazu fand u.a. Anfang Februar in Kooperation mit dem Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) eine Informationsveranstaltung statt. Der WRL-Chef steht regelmäßig vor unterschiedlichen Auditorien Rede und Antwort zur Strukturentwicklung der Lausitz.
Foto: Tudyka.PR
Dr. Klaus Freytag, Lausitz-Beauftragter der brandenburgischen Ministerpräsidenten, bestätigt die im Positionspapier beschriebene Problemlage, dürfte aber mit seiner Feststellung, „eine Kannibalisierung findet nicht statt“, womit er den Abzug von Fachkräften aus dem regionalen Mittelstand durch Großprojekte meint, auf widersprechende Wahrnehmungen stoßen. Er macht anhand von Beispielen deutlich, dass seitens des Landes schon einiges auf dem Weg ist, um den Nachwuchs mittels neuer regionaler Berufsschulen verstärkt heranzuziehen. Der Lausitz-Beauftragte betont die Indiskutabilität des Kohleausstiegsdatums 2038. Dr. Freytag versteht die Kritik an der „Bürokratie“ bei der Förderantragsbearbeitung, macht aber darauf aufmerksam, dass es sich bei den Fördersummen um Steuergelder handelt, deren sinnhafte Verwendung geprüft und nachgewiesen werden müsse. Auch in Anbetracht dessen, dass die Lausitz an dieser Stelle im Gegensatz zu anderen Regionen bevorzugt behandelt wird. Für ihn ist die Lausitz „bereits eine Modellregion. Was hier in den letzten drei Jahren passiert ist, sucht seinesgleichen.“ Das sei ohne „Sonderwirtschaftszone“ gelungen. Eine solche sei, betont auch er, bei den Verhandlungen zum Strukturstärkungsgesetz, im Bund nicht mehrheitsfähig gewesen. Mittlerweile gibt er jedoch dieser Idee kaum noch eine Chance, denn wie wolle man weitere Ausnahmen für eine Region begründen, die mittlerweile „im deutschlandweiten Vergleich das größte Wirtschaftswachstum hat?“
Sächsische Lausitz
Torsten Pötzsch, Oberbürgermeister von Weißwasser und gemeinsam mit der Spremberger Bürgermeisterin Sprecher der kommunalen Initiative „Lausitzrunde“ hält das Positionspapier für relevant. Er würde den Kreis der Betroffenheit sogar größer ziehen und von einer europäischen Modellregion sprechen. „Welche Chancen sich hier auftun, ist einzigartig und sinnstiftend für viele andere Regionen im Umbruch.“ Wie andere Kommunalvertreter auch zählt er besonders zum Fachkräfte-Thema eine Vielzahl von Maßnahmen auf, die in seiner Stadt dazu durchgeführt werden. Auch er betrachtet dabei die Entwicklung der soften Standortfaktoren als Priorität und beklagt, dass es dazu bislang keine Strategie seitens des Bundes und des Landes gäbe. Für ihn ist es keine Frage, ob es zu einer Modellregion kommt, sondern wann. Nur so könnten die Prozesse der Umsetzung des Strukturwandels beschleunigt werden.
Jörg Funda, Bürgermeister der Energie-Gemeinde Schleife, findet das Papier und die Idee der Modellregion gut. Auch er bezweifelt jedoch die Möglichkeit der Umsetzung. Ihm würde schon ein deutlicher Bürokratieabbau und eine Vereinfachung diverser Planungsvorschriften genügen, dann hätte man wenigstens eine „Modellregion Light“.
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Für Torsten Ruban-Zeh, Oberbürgermeister von Hoyerswerda, geht das Positionspapier „auf die aktuellen Hemmnisse ein und thematisiert die Hürden“. Der Gesundheitsversorgung würde er jedoch mehr Raum geben. Einer Modellregion stehen seiner Meinung nach die unterschiedliche Handhabung der Förderrichtlinien des Kohleausstiegsgesetzes auf brandenburgischer und sächsischer Seite der Lausitz entgegen. Allerdings sieht auch er eine Chance für die Umsetzung, wenn des europäische Net-Zero Industry-Gesetz* zur Anwendung kommen würde.
Octavian Ursu, Görlitzer Oberbürgermeister, betrachtet wie sein brandenburgischer Doppelstadt-Kollege Fred Mahro eine grenzüberschreitende Betrachtung des Strukturwandels für notwendig. Er sieht ein 360 Grad-Einzugsgebiet über die deutsch-polnische Grenze hinaus. „Wenn es uns gelingt, die Kräfte zu bündeln und die Wirtschaft effizienter zu fördern, dann sind wir eine Modellregion.“
Karsten Vogt (Foto), Oberbürgermeister von Bautzen, meint, dass das Positionspapier „weniger in den Rathäusern, als vielmehr bei der Landes- und der Bundesregierung auf dem Tisch liegen sollten.“ Die beschriebenen Probleme bestätigt er und zeigt weitere auf. Besonders unterstützt er die Idee einer Vermarktung der Lausitz über die Bundesland-Grenzen hinaus. Das, was derzeit auf diesem Gebiet passiert, bezeichnet er als „praktizierte Kleinstaaterei“.
Für den Landrat des Kreises Bautzen, Udo Witschas, sind die aufgeführten Themen „tägliche Arbeit“. Er hält allerdings bei der Bewältigung des anstehenden Wandels „die Einbeziehung und Mitnahme der ansässigen Bevölkerung“ für „außerordentlich wichtig“. Mit der Idee einer Modellregion setzt er sich sehr intensiv auseinander und weiß deshalb, „dass alle Beteiligten bis zur Etablierung einen sehr langen Atem“ bräuchten. Alternativ kann er sich wie auch andere die Entwicklung gemeinsamer „projekt- und problemspezifischen Lösungsansätzen“ vorstellen und verweist auf gute Erfahrungen bei der Fachkräftesicherung in seinem Landkreis.
Ausführlich äußerte sich das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung (SMR), dem auch der Strukturentwicklungsbeauftragte Jörg Huntemann und die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung (SAS) zugeordnet sind. Grundsätzlich stellt das SMR klar, dass für die im Positionspapier aufgeworfenen Fragen die Bundesregierung der richtige Adressat ist, da es sich beim Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) um ein Bundesgesetz handelt. Schon bei der Gesetzgebung 2019 wurden damals auch durch Sachsen zahlreiche Änderungsanträge gestellt, die darauf zielten, Förderungen einfacher und bedarfsgerechter zu gestalten. Die Anträge fanden jedoch keine Mehrheit beim Bundesrat oder wurden von der Bundesregierung abgelehnt bzw. waren mit EU-Recht nicht kompatibel.
Dennoch sei Sachsen bereits mitten im Strukturwandel, diverse Projekte sind vorbereitet und teils begonnen. Dabei spielt der JTF eine Rolle, aber auch gezielte KMU-Förderungen. Staatsminister Thomas Schmidt setzt sich regelmäßig für einen Bürokratie-Abbau und Vereinfachungen im Rahmen der EU-Förderung in Brüssel ein. Die Fachkräftethematik hat für das SMR ebenfalls höchste Priorität, weshalb auch auf attraktive und lebenswerte Regionen gesetzt werde. Das bedeute eine Stärkung der weichen Faktoren. Für diese Strategie wurde das SMR in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. „Inzwischen hat sich der Wind gedreht und die Menschen sehen, dass sich die Region neu aufstellt und auch durch diese Maßnahmen gestärkt wird.“
Für eine „Modellregion“ als eine „Sonderwirtschaftszone“ bzw. „Versuchslabor“ für Deregulierung und direkte Wirtschaftsförderung hat sich Sachsen bereits mehrfach ausgesprochen. „Der Bund hat jedoch all diese Ansätze abgelehnt.“ Das InvKG biete aber einige vorteilhafte Rahmenbedingungen, wovon das SMR Gebrauch mache.
Zusammenfassend konstatiert das SMR, das viele im Positionspapier verfolgte Ansätze im Rahmen des InvKG schwerlich umsetzbar seien. Dennoch seien aber „bei konkreten Entwicklungsschwerpunkten“ Verbesserungen möglich.
Foto: Simons
Begriffserklärung
*Net-Zero Industry Act (NZIA)
Hauptziel des NZIA sei es, einen vereinfachten Rahmen für Investitionen in die nachhaltige Energieinfrastruktur in Europa aufzustellen. Der „Net Zero Industry Act“ beinhaltet sieben Säulen, die sich im Rechtstext neben Definitionen und Schlussbestimmungen als sieben Kapitel darstellen. Geplant sind eine vereinfachte Antragstellung sowie schnellere Genehmigungsverfahren für die Produktion von Netto-Null-Technologien, eine erhöhte CO2-Speicherungskapazität, verbesserter Zugang zum Markt für Netto-Null-Technologien, die Schaffung hochwertigerer Arbeitsplätze in der Branche sowie die verbesserte Ausbildung des Personals. Flankiert werden die Maßnahmen durch die Ermöglichung von Reallaboren sowie durch die Gründung einer „Net-Zero Europe Platform“, die zum gegenseitigen Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten dient.
Für die Umsetzung der Maßnahmen ist ein Budget von ca. 6,2 Mio. Euro eingeplant. Zusätzliche finanzielle Fördermittel sind gemäß dem Vorschlag nicht vorgesehen. Der vollständige Gesetzestext kann auf der Internetseite der EU-Kommission eingesehen werden.
Quelle: www.nks-dit.de/aktuelles/news/netzero
Gastkommentar – Jörg Tudyka
Warum befasst sich der Wochenkurier mit diesem Positionspapier von Wirtschaftsverbänden? Weil der Wochenkurier sich als Heimatzeitung sieht, welche in der vom Kohleausstieg betroffenen Lausitz erscheint und ebenso wie seine Leser ein Interesse an einer erfolgreichen Entwicklung der Region hat. Dabei handelt der Verlag nicht uneigennützig – schließlich ist auch er ein Wirtschaftsunternehmen, das von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig ist. Er möchte nicht distanziert berichten, sondern befördern.
Deshalb gibt es diesen für Wochenkurier-Verhältnisse sehr ausführlichen Beitrag, der dazu beitragen soll, eine Diskussion um den besten Weg des Lausitzer Wandels nicht erlahmen zu lassen. Dabei geht es nicht um Polarisierung – die haben wir leider schon genug – zwischen Parteien, zwischen Brandenburg und Sachsen, deren Landesgrenze mitten durch die Lausitz geht, zwischen Kommunen, Landkreisen und Landes- wie Bundesregierung, zwischen Institutionen und Bürgerschaft. Es geht um mehr Miteinander, um gegenseitiges Zuhören, um Auseinandersetzung um der Sache und nicht irgendeiner Ideologie willen.
Unterm Strich halten die meisten regionalen Akteure im Strukturwandelland eine Modellregion im Sinne einer Sonderwirtschaftszone mit privilegierten Regeln und beschleunigten Verfahren offensichtlich nach wie vor für eine gute Idee. Während die einen hier sogar klar einfordern, scheint bei den anderen jedoch eher Desillusionierung im Sinne von „wird ja doch nichts“ durch. Letzteres sicher auch durch den Umstand befördert, dass der Haushaltskrise der Bundesregierung wegen (bis Redaktionsschluss) die Ausreichung bereits zugesagter Fördermittel im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes gestoppt ist. Eine dramatische Situation, welche, dauert sie und die damit verbundene Stimmung an, gefährliche Signale nach Außen, an Investoren und solche, die es noch werden wollen, sendet. Aber auch nach innen – die allmählich in Fahrt gekommene Aufbruchstimmung bröckelt.
Wir können uns nicht mehr leisten, solch konstruktive Vorlagen wie dieses Positionspapier verpuffen zu lassen. Dabei kann man zu allem unterschiedlicher Meinung sein. Aber der Prozess muss anhalten, es müssen flexible Anpassungen, neues Denken, möglich sein. Wäre doch normal, denn schließlich ist in der Lausitz etwas im Gange, wofür es keine Vorlage gibt. Da braucht es Pioniergeist und Veränderungswillen – fortlaufend.
Schön, dass wir mal drüber geredet haben, Ergebnis egal? Das sollten wir uns zukünftig sparen. Das wäre verschwendete Energie – so ist Energieregion nicht gemeint.
Unternehmerforum mit Dr. Christian Ehler (MdEP)
Am 23. Februar wird der Europa-Abgeordnete Dr. Christian Ehler (CDU) im Dock 3 Lausitz am Industriepark Schwarze Pumpe mit den Mitgliedern der Unternehmerverbände über die Inhalte des Positionspapiers aus Sicht der EU diskutieren.
Die Veranstalter sind auch die Verfasser des Positionspapiers: Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW), Wirtschaftsinitiative Lausitz (WiL), Bundesverband Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), Unternehmerverband Brandenburg-Berlin (UVBB), Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB). Hier geht’s zur Anmeldung.
Weitere Statements
Foto: James Zabel
„Der Strukturwandel ist eine nie dagewesene Herausforderung. Deshalb muss es der Lausitz ermöglicht werden, neue, kreative Wege zu gehen, um bestehende Probleme zu lösen, zum Beispiel über eine Modellregion. Das ist Wirtschaftsförderung, die nichts kostet, sondern das Potenzial der vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen in der Region nutzt. So können Ideen in der Lausitz entstehen, von denen langfristig vielleicht sogar das ganze Land profitieren kann.“
Laura Staudacher, „Junge Lausitz“ e.V.
Foto: Noodle Media
„Den Worten müssen auch Taten folgen und die Politik muss nicht nur Anreize schaffen, sondern auch gemeinsame Spielregeln für ein gutes Miteinander durchsetzen. Diesen ganzen Wandel werden wir nur schaffen, wenn es uns gelingt `sexy` zu werden.“
Lars Katzmarek, Revierbotschafter der Lausitz, Regionalmanager
Foto: Tudyka.PR
„Zu einer Modellregion Lausitz bin ich seit einigen Jahren mit den Hauptakteuren im Land im Dialog und ich halte diese Forderung weiterhin für realistisch. Um Perspektiven für neue Wertschöpfung und Beschäftigung zu entwickeln und die Lausitz als Europa-Modellregion für erfolgreiche Transformation zu etablieren, sollten wir den Prozess auch erweitert denken – nämlich entlang der ganzen energetischen Oder-Schiene (Schwedt mit der Papierfabrik), Frankfurt (Oder), sowie Eisenhüttenstadt als Stahlstandort denken. Wir bereiten aktuell mit dem Net Zero Industry Act* vor, dass das Land Brandenburg eine der Regionen in Europa wird, die mit beschleunigten Genehmigungsverfahren gezielt neue Energietechnikunternehmen ansiedeln kann.“
Dr. Christian Ehler, MdEP (CDU)
Titelbild: Noch fahren Kohlebahnen durch den von Tagebauen geprägten Landkreis Spree-Neiße: Bis 2028 jedoch soll die Kohleverstromung durch nachhaltige Energieerzeugung mittels Windkraft und Photovoltaik abgelöst sein. Das Motto lautet: WANDEL DURCH INNOVATION
Foto: Archiv Landkreis Spree-Neiße/Wokrejs Sprjewja-Nysa
Reaktionen auf den Beitrag:
Wolfgang Roick, brandenburgischer Landtagsabgeordneter der SPD, u.a. Vorsitzender des Sonderausschusses Strukturentwicklung in der Lausitz, hat sich per E-Mail wie folgt zu unserem Beitrag geäußert:
„Das Thema einer Modellregion wurde auch schon im Sonderausschuss Lausitz diskutiert. Es wurde auch vorgeschlagen an der Besteuerung von Firmen Änderungen herbeizuführen. Das alles ist mit der EU nicht unbedingt zu machen und wäre meiner Meinung nach auch nicht notwendig.
Die Lausitz bzw. die Wirtschaftsregion Lausitz ist letztlich schon eine Modellregion im fördertechnischen Sinne. Neben den Fördermitteln z.B. aus Leader, der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) gibt es die Strukturfördermittel und den JTF.
Die Aufgabe der Politiker und der Verwaltung ist es nun, diese Fördermittel zielgerichtet einzusetzen und eine schnelle Vergabe durchzuführen. Gleichzeitig müssen wir auf allen Ebenen um Fachkräfte werben, denn die zukunftsfähigen Arbeitsplätze entstehen gerade, nur die Menschen werden uns in 5 bis 10 Jahren fehlen und teilweise fehlen sie schon heute. Hier muss unsere Region mit tollen Arbeitsplätzen und natürlich mit tollen Lebensräumen werben und alle, auch unsere Medien sollten mitmachen. Aber und das ist ein nicht zu verachtender Punkt: die Lausitz ist in Brandenburg nicht allein! Auch in der Uckermark, in der Prignitz oder in der dünn besiedelten Region zwischen Elbe-Elster und Teltow-Fläming wäre der Bedarf an noch mehr wirtschaftlichen Ansiedlungen gegeben. Wir Sozialdemokraten wollen das ganze Land entwickeln und werden daher überall unterstützen, damit es nirgends mehr Strukturbrüche wie in den 90er Jahren gibt.
Wenn natürlich innerhalb der Verwaltungen tolle Verfahren zur Fördermittelabwicklung und -vergabe, zur Digitalisierung oder zu anderen neuen Wegen entwickelt werden, die dann von anderen Regionen übernommen werden, dann unterstütze ich das sehr gern. Die zusätzlichen Fördermittel in der Lausitz können dafür den Weg ebnen. Falls es dazu eine weitere Diskussion gibt, bin ich gern bereit, mitzudiskutieren.“
Schon ins Printmagazin „STARK für die LAUSITZ“ geschaut?
Im Oktober 2023 erschien die aktuellste Printausgabe des „STARK für die LAUSITZ“-Magazins. Diese Ausgabe ist vor allem von den Leuchtturm-Projekten des Landkreises Spree-Neiße sowie der Städte Forst, Guben und Spremberg geprägt. Darin stellt sich die Neißestadt als die Smart City Stadt der Zukunft vor (Seiten 31 bis 34).
Natürlich werfen wir aber auch wie immer einen Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Oberlausitz. Das alles haben wir unter dem Titel „Wandel durch Innovation“ auf 48 Seiten kompakt dargestellt. Hier geht’s zum kostenfreien E-Paper.