Hamburger Unternehmen VTG investiert in Großräschen mehrstelligen Millionenbetrag für neues Instandhaltungswerk für Güterwaggons
Die VTG GmbH, Betreiber Europas größter privater Eisenbahngüterwagen-Vermieter und Schienenlogistiker, investiert in Großräschen im Landkreis Oberspreewald-Lausitz einen zweistelligen Millionenbetrag in den Neubau eines Instandhaltungswerkes. Welche Bedeutung das für die Seestadt hat und wie viele neue Arbeitsplätze dort entstehen.
Jannis Simons/pm
„In Großräschen läuft es“, sagte Sven Wellbrock, Chief Operating Officer Europe & Chief Safety Officer bei VTG, in seiner Eröffnungsrede zur feierlichen Grundsteinlegung im Gewerbegebiet „Sonne“. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg ist der größte Anbieter von privaten Eisenbahnwaggons in Europa und vermietet seine Flotte an Verlader, wie beispielsweise große Getreidehändler oder auch an die BASF aus Schwarzheide. „Alles, was auf der Schiene bewegt werden kann, mit Ausnahme von strahlender Ladung, kann in den Waggons der VTG transportiert werden“, so der Operation Manager. Das Unternehmen bedient Kunden aus ganz Europa mit insgesamt rund 85.000 Wagen.
Das 1.700 Quadratmeter umfassende Werk besitzt eine Instandhaltungskapazität von rund 2.000 Güterwagen pro Jahr und garantiert dem Unternehmen eine erhöhte Unabhängigkeit von externen Reparaturwerkstätten. Perspektivisch sollen in Großräschen etwa 40 neue Arbeitsplätze entstehen. Gesucht werden unter anderem Schlosser, Schweißer, Lagerfachkräfte, Mitarbeitende in der Qualitätssicherung sowie Rangierer. Die ersten Mitarbeiter sind schon in anderen Werken in der Ausbildung. Die Inbetriebnahme ist Anfang 2024 – wenn alles gut läuft sogar schon diesen Dezember – vorgesehen. Bei der feierlichen Grundsteinlegung am Donnerstagvormittag begrüßte Sven Wellbrock den Minister für Infrastruktur und Landesplanung des Landes Brandenburg, Guido Beermann, und Wolfgang Roick aus dem brandenburgischen Landtag.
„Herz des Güterverkehrs in Europa schlägt künftig in Großräschen“
„Wir freuen uns, weiter in Brandenburg zu investieren. Damit bauen wir an einem attraktiven Wirtschaftsstandort mitten in Europa unsere Präsenz deutlich aus. Das Werk in Großräschen wird für uns künftig ein zentraler Standort für Instandhaltung und Reparaturen. Auf diese Weise werden wir eine noch höhere Verfügbarkeit der Wagen für unsere Kunden sicherstellen und unseren Teil zum weiteren Ausbau des klimaeffizienten Schienengüterverkehrs der Zukunft leisten“, sagt Sven Wellbrock, der wohlwollend ergänzte: „Das Herz des Güterverkehrs in Europa wird künftig in Großräschen schlagen.“ VTG ist seit dem Jahr 2020 am Standort Großräschen vertreten und wickelte bislang Rückgaben von Wagen aus der Vermietung ab. Dass es hier schon einen Gleisanschluss und einen großen Rangierbereich in unmittelbarer Nähe gibt, sprachen für den Standort in der Seestadt.
„Der Neubau des Instandhaltungswerks in Großräschen ist ein großartiges Zeichen für Brandenburg und den ländlichen Raum in unserem Bundesland“, sagte Guido Beermann im Rahmen der Grundsteinlegung. „Warentransporte werden in Zukunft weiter zunehmen. Deshalb wollen wir in Brandenburg mehr Güterverkehr auf die Schiene bringen. Mit ihren Investitionen in ein nachhaltiges und klimafreundliches Transportsystem leistet VTG in Großräschen einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung des grünen Schienengüterverkehrs in Europa. Das schont das Klima und bringt den Strukturwandel in der Region voran“, so Minister Beermann weiter.
Erstes CO2-neutrales Werk überhaupt
Das Projekt umfasst den Neubau einer Werkshalle mit angrenzendem Büro- und Lagertrakt auf dem 65.000 Quadratmeter großen Außengelände mit rund 10 Kilometer Gleiswegen. Im Werk kommt zukünftig ein modernes Shopfloor Management mit App-Unterstützung in den administrativen Prozessen zum Einsatz. Ziel ist es, durch eine präzisere und zeitgerechte Bestückung der Werkstatt die Wertschöpfungskette zu optimieren und eine hohe Produktivität auf reduziertem Raum zu erzielen. Nur mit diesem Ansatz lassen sich laut Unternehmen Investitionen in die Zukunft des Schienengüterverkehrs finanzieren. Der Fokus der Arbeiten wird auf Intermodalwagen liegen – von der Reparatur typischer Schäden bis hin zu großen Revisionen. Zudem kann das Team vor Ort Kesselwagenprüfungen und mobile Serviceeinsätze durchführen. Das neue Werk in Großräschen ist ein zentraler Baustein im Bestreben von VTG, bis 2040 klimaneutral zu sein. Der gesamte Komplex wird CO2-neutral betrieben: Neben der Nutzung von Wärmepumpenheizungen und der mehrheitlichen Erzeugung des benötigten Stroms über eigene Photovoltaikanlagen wird ausschließlich grüner Strom für den Betrieb der Werkstatt verwendet. Das Rangieren der Wagen im Werkstattbereich geschieht mit einem elektrischen Rangiergerät.
Großräschen spielt beim Strukturwandel gehörig mit
Sehr erfreut über diese Investition in „seiner“ Stadt zeigte sich auch Großräschens Bürgermeister, Thomas Zenker. Der Industriestandort „Sonne“ verfügt über eine 100-jährige Geschichte. In den 90er Jahren, im Zeiten des „Strukturbruches“ in der Region, sollte das Gewerbegebiet abgerissen werden. Zenker, der im nächsten Jahr 20 Jahre im Amt ist, hat lange für den Erhalt des dortigen Gleisanschlusses und eine Wiederbelebung des Standortes gekämpft. Dass jetzt die letzte Fläche des historischen Grundstückes eine Nutzung erfährt und dieser Kampf nicht umsonst war, macht ihn ein Stück weit stolz. Doch das soll noch längst nicht das Ende dort gewesen sein. „Dieser Standort hat noch mehr Potenzial“, ist sich Zenker sicher. Der Name des Bauprojekts trägt nicht umsonst den Namen „Güterwaggonzentrum Lausitz“. So seien laut dem Bürgermeister seitens der VTG schon weitere Investitionsstufen am Standort zumindest auf der Agenda. „Diese Investition hat auch neue Fantasien bei den Nachbarunternehmen geweckt. Es gab und gibt bereits viele Gespräche dazu“, berichtet Zenker: „Das wird diesem Standort, Großräschen und der Region darüber hinaus einen Impuls geben.“
Aktuell gibt es rund 3.000 Industriejobs in der 9.000 Einwohner-Stadt.
Zwei weitere Großprojekte in der IBA-Stadt
Zwei große Strukturwandel-Projekte in der IBA-Stadt sind laut Informationen des Bürgermeisters ebenfalls schon „in der Pipeline“. Der Campus IBA-Terrassen soll für ca. 25 Millionen saniert werden. Der erste Bauabschnitt, das Besucherzentrum am Ende der Seestraße, sei schon fast zur Übergabe fertig. Aktuell warte die Stadt noch auf Baugenehmigung für die Umbausanierung der IBA-Terrassen. Man hoffe, dass das 2026 abgeschlossen ist. Die IBA-Terrassen sollen zukünftig CO2-neutral beheizt werden. Daneben ist eine „Energiewerkstatt“ in Planung, um moderne Heizungsmedien für Touristen und junge Menschen erlebbar zu machen.
Das zweite Großprojekt im Rahmen des Strukturwandels bearbeitet die Stadt zusammen mit der Handwerkskammer. Im „Innovativen Lernzentrum Lausitz“ (ILL) sollen junge Menschen von der 7. bis zur 12. Klasse moderne Berufsbilder frühzeitig kennenlernen und dafür begeistert werden. Geplanter Einzugsbereich? „Alles südlich von Berlin“, sagt Zenker selbstbewusst. Die Konzepte stehen, die Studien sind gemacht. Hierbei erhoffen sich die Beteiligten, dass dieses Projekt in ein bis zwei Jahren in den Bau geht. Kosten für dieses „in seiner Art“ deutschlandweit bisher einzigartigem Projekt: zwischen 60 und 80 Millionen Euro. Großräschen macht sich bei der Transformation der Lausitz also gehörig auf den Weg – und das nicht nur auf einer Schiene.