Fachkräftekonferenz der Wirtschaftsregion Lausitz GmbH: Anwerbestrategie, besser Wohnen und mehr Lohn
Mitte Juli hatte die Wirtschaftsregion Lausitz GmbH (WRL), welche im Auftrag des Landes Brandenburg den Strukturwandel managt, zu einer Konferenz unter dem Titel: „Fachkräftesicherung in der Lausitz“ eingeladen. Neben verschiedensten Akteuren rund um die Fachkräftethematik, Bürgermeistern und Arbeitgebern waren auch die Strukturentwicklungsgesellschaften der vom Kohleausstieg betroffenen Regionen in Sachsen und dem Rheinischen Revier eingeladen. Die Konferenz zeugte, nicht überraschend, von allerorts denselben Problemen, hohem Engagement, denen zu begegnen, aber auch deutlichen Lücken, was die Lösungen betrifft. Ein Patentrezept, dem Mangel an Arbeitskräften besonders in den kommenden Jahren zu bewältigen, gibt es nicht und scheint auch nicht in Aussicht.
C.M. Schwab
Jörg Waniek, Personalvorstand der LEAG, machte in seiner Eröffnungsrede als Gastgeber darauf aufmerksam, dass sich die Lausitz bereits vor über 20 Jahren ein Reallabor war. Das wirke sich jetzt aus. Denn die Nachwendejahre waren von einem erheblichen Geburtenrückgang geprägt. Brandenburg wies damals die geringste Geburtenrate Europas auf. Hinzu kam der Weggang von vielen, besonders jungen Menschen, die in ihrer Heimat mangels Arbeitsplätzen keine Perspektive mehr sahen. All das wirkt sich nun aus.
Wirtschaftlich dagegen läuft im Unterschied zu den 90er Jahren aktuell in der Lausitz das komplette Gegenteil ab. Ein Strukturwandel-Projekt nach dem anderen wird beschlossen, geplant oder ist schon begonnen. Heiko Jahn, Geschäftsführer der WRL, machte deutlich: „Der Wegfall der Kohleverstromung ist eine Herausforderung. Unsere Aufgabe besteht darin, aus einer fossilen Energieregion eine nachhaltige und weltoffene Energieregion im Herzen Europas zu machen.“ Das ginge nur mit Hilfe von Ansiedlungen von außen, Investitionen in Wissenschaft und Forschung, Technologietransfer und die Einbeziehung der Bevölkerung. Denn es ginge darum, die Identität der Region zu wahren. „Auf den Namen Energieregion sollen die Lausitzer weiter stolz sein!“
Der Wind hat sich gedreht
Als der Ausstieg aus der Kohle 2020 beschlossen wurde, gab es große Unsicherheit und Angst vor einer erneuten Massenarbeitslosigkeit. Mittlerweile hat sich der Wind völlig gedreht. Es gibt Schlüsselprojekte mit hohem Arbeitskräftebedarf. Allein das Bahnwerk in Cottbus verfüge bei Fertigstellung über 800 Arbeitsplätze, die Medizinische Universität bietet zukünftig 1500 Plätze an, dazu kommen Projekte wie der Lausitz Science Park ebenfalls in Cottbus und die weitere Entwicklung des Industrieparks Schwarze Pumpe mit ebenfalls mehreren tausend Stellen. 4650 Stellen für Industriearbeiter, 1050 Stellen für wissenschaftliche Angestellte und 650 für Behörden werden sich ergeben – mindestens. Nicht mitgerechnet die Arbeitsstellen, die sich indirekt daraus ergeben – im Service- oder Baubereich.
Mehr neue Arbeitsplätze als verschwindende
Fakt ist, so Prof. Stefan Zundel von der BTU Cottbus-Senftenberg, dass schon jetzt klar sei, dass es mehr neue Arbeitsplätze in der Lausitz geben werde als Arbeitsplätze im Kohlebergbau, die verschwinden. Der Wissenschaftler forscht begleitend zum Strukturwandel und analysiert die Entwicklungsmöglichkeiten und die dabei auftretenden Hindernisse. Ein wesentliches Hindernis ist der Fachkräftemangel. Zum Geburtenknick, so der Professor, kämen viele Auspendler, die freilich auch eine Chance als Arbeitsmarktreserve sind. Was voraussetzt, dass es gelingt, diese Menschen wieder von einem Arbeitsplatz in der Heimat zu überzeugen. Aber wie auch immer, Zundel ist davon überzeugt, dass das Fachkräfteproblem in der Lausitz nicht allein gelöst werden kann. Eine Zuwanderung aus anderen deutschen Regionen sei eine Lösungsmöglichkeit, reiche aber nicht. Eine Zuwanderung außerhalb Deutschlands sei dringend nötig. Aber das wird nicht reibungsfrei passieren und bedeutet vor allem erheblich mehr Anstrengungen in der Region. Denn zu den entstehenden Arbeitsplätzen gilt es, ein entsprechend attraktives Umfeld zu schaffen. Jörg Mühlberg, Geschäftsführer der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS) merkte dazu an, dass es dabei um die passenden Wohn- und Lebensumstände ginge. Autobahnanschluss, 5 G-Netz, Wohnraum – das interessiere nicht nur die Industrie, sondern auch die potenziellen Arbeitnehmer.
Studienabbrecher für Ausbildung gewinnen
Mit dem geplanten Leistungszentrum Lausitz in Schwarzheide und Innovations-Leistungszentrum des Handwerks in Großräschen sind wichtige Schritte in Richtung Nachwuchsentwicklung getan. Auch das Vorhaben des Internationalen Fachkräftezentrums in Schwarze Pumpe gehört dazu. Bis zu 30 Prozent der Studenten auf technischen Gebieten hören vorzeitig auf – hier gilt es, die Abbrecher für die Berufsausbildung im Handwerk- oder Industriebereich zu gewinnen.
Zuwanderung von Arbeitskräften?
Was die immer wieder neu zu hörende Aussage, es bedarf der Zuwanderung von Arbeitskräften außerhalb Deutschlands, betrifft – da wollte Tobias Hentschel, Bürgermeister der Spreewald-Gemeinde Burg, wissen, wer denn diese nun nach Deutschland holt? Denn das könne doch keine Region für sich allein bewältigen, so Hentschel. Angesichts dem oft und auch bei dieser Veranstaltung wiederholten Satz „Ohne Zuwanderung wird’s nicht gehen“ blieb ein weiteres Mal an dieser Stelle eine befriedigende Antwort aus. Eine „Anwerbestrategie“ wird entwickelt, hieß es, doch ohne Präsenz und Netzwerk im Land der Anzuwerbenden ginge es nicht. Scheint logisch. Das war allerdings nicht die Antwort, die der Burger Bürgermeister hören wollte. Stattdessen wiederholte Staatssekretär Hendrik Fischer die Binsenweisheit: „Binding ist das neue Recruiting.“ Zu Deutsch: Mitarbeiter halten statt (neu) einstellen.
„Hut ab vor der Lausitz“
Doch auch wenn keiner in der Lausitzer Runde mit einer Patentlösung aufwarten konnte – Elke Hohmann von der Zukunftsagentur Rheinisches Revier zeigte sich vom Ist-Zustand beeindruckt: „Ich bin begeistert, was hier passiert. Hut ab, die Lausitz ist wirklich eine krasse Gegend. Ich kann von Ihnen lernen.“ Auch das westdeutsche Kohlerevier stehe vor denselben Problemen und steige dabei mit dem Ziel 2030 noch früher aus der Kohlebranche aus. Auch sie hatte nicht Trick 17 in der Tasche, bestätige aber, dass man schon jetzt die vorhandenen und nachwachsenden Fachkräfte auf Zukunft hin qualifizieren und immer in die Unternehmen, besonders den Mittelstand, mitnehmen müsse. „Unser Denken muss sich ändern. Keiner kann mehr so weitermachen wie bisher.“
Einig waren sich alle Konferenzteilnehmer, dass alle Unternehmen in der Region auch bereit sein müssten, „vernünftige Gehälter“, wie es Jörg Waniek ausdrückte, zu bezahlen. „Ansonsten ist alles nur gut gemeint.“ Elke Hohmann bestätigt das für das Rheinische Revier. Auch dort bestehe eine Differenz im Lohnniveau zwischen großen und kleinen Unternehmen.
Eine grundsätzliche Lösung dafür konnte keiner liefern. Das bleibt Aufgabe aller Unternehmen.
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