„Europaweit einzigartig“ – Baubeginn für Lithium-Konverter in Guben
Das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech feierte am gestrigen Montag den Baustart für seinen ersten und in Europa einzigartigen Lithium-Konverter. Dieser soll eine komplette Batterie-Wertschöpfungskette in der Lausitz ermöglichen. Eine erste Liefervereinbarung mit einem bekannten Automobilhersteller aus Stuttgart gibt es schon. Was alles geplant ist, wie viele neue Arbeitsplätze in der Lausitz damit geschaffen werden und warum dieses Projekt europaweit einzigartig ist.
pm / Jannis Simons
Wenn Brandenburgs Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Jörg Steinbach, die Lausitzer Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein und einige weitere Politiker aus der Region und hochrangige Unternehmensvertreter aus Deutschland sich an einem Montagmorgen auf den Weg in die Europastadt Guben machen, muss schon ein besonderes Ereignis anstehen. „Was wir heute hier schaffen, ist Zukunft für Guben, die Lausitz und ganz Brandenburg“, sagte ein euphorischer Woidke am Rande des Spatenstichs für Europas ersten Lithium-Konverters. In der zukünftigen 125.750 Quadratmeter großen Anlage wird lithiumhaltiges Hartgestein zu batteriefähigem Lithiumhydroxid für die Kathoden- und Batterieindustrie verarbeitet werden. Dies ist ein wichtiger Beschleuniger für die Elektromobilitätswende und ein grundlegender Baustein für die Automobilindustrie. Der symbolische Spatenstich markierte den offiziellen Baubeginn für das Fabrikgelände. Dazu gehören u.a. auch Bürogebäude, Labor, Werkstätten und ein Mediengebäude. Das Unternehmen hat vor kurzem die erste immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung erhalten und wird nun planmäßig mit den Testarbeiten für die Betonpfähle und der Bodenvorbereitung fortfahren.
Rund 170 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Gebraucht werden Menschen etwa bei der Bahnentladung, als Gabelstapler-Fahrer, als Techniker, Elektroniker und im Labor. „So werden wir künftig eine hohe Bandbreite an Jobs bieten“, sagt Unternehmenssprecher André M. Mandel. Schon heute beschäftigt das Unternehmen rund 60 Menschen aus 16 Nationen, von Australien bis Südamerika, mit diesem Projekt. Den Hut dabei auf hat mit Hendrik Wende aus der Gemeinde Schenkendöbern sogar ein echter Lausitzer. Nach beruflichen Stationen in Hannover, Mexiko, in den USA, Südafrika oder China entschied er sich vor kurzem bewusst für eine neue Jobherausforderung in der Heimat. Als Operation Readiness-Manager bei Rock Tech leitet er nun den Betriebsaufbau, fungiert als Ansprechpartner für Unternehmen, Dienstleister, Behörden und Vertreter der Stadt. Seine Aufgabe ist auch, qualifiziertes Personal an Land zu ziehen.
„Europaweit einzigartig“
Die Fabriktürme mit einer geplanten Höhe von bis zu 30 Meter Höhe werden als „Leuchtturm“ über Guben herausragen. Aktuell geht man von einem Bauinvestitionsvolumen von ca. 650 Millionen Euro aus. „Es sind im Prinzip zwei Fabriken in einer, mit der Besonderheit, dass alle Produktionsschritte an einem Standort – von der Gewinnung des Lithiums aus dem Gesteinsmaterial bis hin zur Kristallisation des batteriefähigen Lithiumhydroxids – stattfinden werden. Das ist europaweit einzigartig“, erklärt Unternehmenssprecher Mandel auch im Hinblick möglicher Konkurrenten am Markt. Durch die sehr unabhängige Lieferkette ist der Standort vor allem für Australier unglaublich interessant geworden, denn die Minenbetreiber können so erstmals in den europäischen Markt Fuß fassen. Australien ist aktuell nämlich größter Produzent des Ursprungsmaterials, das Lithium-Mineral Spodumen. Bis 2025 will Rock Tech eine eigene Mine in Ontario in Kanada in Betrieb genommen haben. Diese soll zu 60 bis 70% das „Input-Material“ für Guben liefern. Eine zweite Quelle werde noch gesucht, wird aller Voraussicht nach in Australien liegen. Pro Jahr sollen aus 170 bis 180.000 Tonnen angeliefertem Gesteinsmaterial, was theoretisch alles auf ein Schiff passen würde, ca. 24.000 Tonnen Lithiumhydroxid hergestellt werden. Das reiche dann für ungefähr 500.000 E-Auto-Batterien.
Guben erzeugt bei Standortauswahl
Das sogenannte Input-Material soll mit Schiffen und per Bahn in das Industriegebiet Guben-Süd gebracht werden. Schon jetzt gibt es eine bestehende Bahnschiene, die direkt am Gelände liegt, zwei zusätzliche Gleise werden angelegt, wobei die Stadt Guben unterstützt. Das Endprodukt Lithiumhydroxid ist nicht gut „verschiffbar“, da sich die Qualität an der Luft zunehmend verschlechtert. Daher braucht es kurze Transportwege zu den Abnehmern. Der Konverter stehe bereits jetzt für die neuen strategischen Ziele der Europäischen Union, bis 2030 das Zwölffache des Lithiumbedarfs zu sichern und gleichzeitig 40 Prozent des Lithiums regional zu verarbeiten. Mit Blick auf die Gigafactory von Tesla in Grünheide, zur BASF nach Schwarzheide, wo eine Fabrik für Kathodenmaterialien derzeit die Produktion aufnimmt, oder nach Lauchhammer, wo die Firma SVolt eine große Batteriezellfabrik plant, entstehe vor allem in Brandenburgs Lausitz eine echte Wertschöpfungskette im Bereich Elektromobilität.
Zudem plane das chinesische Unternehmen Botree Cycling ebenfalls in Guben den Bau einer Batterie-Recycling-Anlage. Die Hochschulnähe und der Anschluss an das Erdgasnetz mit Potenzial für künftigen Wasserstoff waren ebenfalls ausschlaggebend, dass der Standort im Spree-Neiße-Kreis in seiner Gesamtheit vollends überzeugte.
Die Inbetriebnahme und der Hochlauf des Lithium-Konverters werden für 2025 erwartet, die Produktion von batteriegerechtem Lithiumhydroxid für Anfang 2026. Bis 2030 plane man 50 Prozent aus recycelten Material zu verarbeiten. Das sei jedoch abhängig vom Markt. Die Fabrik sei laut Unternehmen auch für die Verarbeitung von 100 Prozent recycelten Material ausgelegt. Dass die Fabrik sehr nachhaltig wirtschaften wird, liegt auch daran, dass „alles, was in diesem Gebäude an Reststoffen anfällt, in anderen Industriezweigen Verwendung finden kann“, erklärt Mandel. Derzeit laufen bereits einige Patente.
Erste Liefervereinbarung mit Mercedes Benz
Eine erste Liefervereinbarung mit einem sehr bekannten Automobilersteller habe Rock Tech ebenfalls schon in der Tasche. Mercedes Benz will bis Ende 2030 voll auf E-Autos setzen. Mit 10.000 Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr will Rock Tech ab 2026 den Automobilriesen beliefern. „Wenn es um unsere Lithium-Versorgung hier in Europa geht, spielt Rock Tech künftig eine Schlüsselrolle für Mercedes-Benz”, sagte Markus Schäfer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG, der beim Spatenstich in der Neißestadt persönlich vor Ort war.
Der Gubener Konverter ist der erste von fünf Konvertern, die Rock Tech in Europa und Nordamerika plant. Für Rock Tech-Geschäftsführer Dirk Harbecke war dieser Tag mit offiziellem Baubeginn „ein Tag des Aufbruchs, denn ich sehe uns als Aushängeschild für nachhaltige Rohstoffversorgung in Deutschland und Europa.“ Besonders dankte er dem Gubener Bürgermeister Fred Mahro, der ein wesentlicher Faktor gewesen sei, dass Guben als Standort ausgewählt wurde und sich das Unternehmen in der Europastadt schon wie zu Hause fühle. Brandenburgs Wirtschaftsminister Prof. Steinbach erhofft sich, dass mit diesem Projekt auch eine Signalwirkung gesetzt wird. In Deutschland werden weitere 300 Milliarden Euro Investitionssumme allein in diesem Bereich erwartet, sodass sich noch viel bewegen muss. „Vielleicht werden noch andere Brandenburger Kommunen aktiv, entsprechende Flächen für Ansiedlungen dieser Art bereitzustellen“, so der Minister.
Grafik Titelbild: Rock Tech