EU-Kommissar Breton kommt auf Einladung der Lausitzrunde nach Schwarze Pumpe
Wie die Chancen der Lausitz stehen, wirklich europäische Modellregion im Strukturwandel zu werden
Auf Vermittlung von Dr. Christian Ehler, MdEP für Brandenburg, reichte eine Gruppe von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Lausitzrunde im Februar 2024 ihre Bewerbung als erste Netto-Null Region Europas persönlich beim EU-Industriekommissar Thierry Breton in Brüssel ein. Breton zeigte sich beeindruckt von der Bewerbung und sicherte den Bürgermeistern seine Unterstützung zu. Am morgigen Freitag, den 17. Mai 2024, besucht der EU-Kommissar nun die Region. Manch einer spricht aufgrund der Bedeutung sogar von einem „Jahrhundert-Termin“. Was alles geplant ist und was nun vonseiten Bund und Länder alles passieren muss, damit die Lausitz wirklich europäische Modellregion werden kann, darüber sprach STARK für die LAUSITZ mit Dr. Christian Ehler.
Aus der Frühjahrsausgabe 2024 des STARK für die LAUSITZ-Magazins
Grund des hohen Besuches aus Brüssel, der auf Einladung der Lausitzrunde erfolgt, ist der Abschluss der Verhandlungen zum „Netto-Null Industriegesetz“ (Net Zero Industrial Act)*, für welches Kommissar Breton zuständig ist und der auf Parlamentsseite von Dr. Ehler verhandelt wurde. Zum Termin im Dock 3 Lausitz im Industriepark Schwarze Pumpe sind die Ministerpräsidenten der Länder Sachsen und Brandenburg, der Ostbeauftrage der Bundesregierung, Vertreter der Lausitzrunde, der Wirtschaftsförderung ASG Spremberg und Unternehmen des Industrieparks eingeladen. Nachfolgend soll dann das Thema Net Zero Valley Lausitz (Sonderwirtschaftszone) auf der gemeinsamen Kabinettssitzung von Sachsen und Brandenburg besprochen werden.
„Strukturwandel passiert nicht einfach so“
EU-Abgeordneter als Frühwarnsystem der Lausitzer Bürgermeister
Nur wenige Tage nachdem der Net-Zero Industry Act (NZIA) als Teil des Green Deal Industrial Plan der Europäischen Union (EU) verabschiedete wurde, machte sich eine Delegation des kommunalen Bündnisses Lausitzrunde auf dem Weg nach Brüssel. Dort warben Sie zusammen mit Dr. Christian Ehler beim EU-Industriekommissar Thierry Breton für die Lausitz als potenziell erstes Netto-Null Valley Europas. Wir sprachen mit dem EVP-Koordinator im Industrieausschuss, warum die Lausitz so schnell ihre persönliche Visitenkarte in Europa abgeben konnte, was jetzt vonseiten Bund und Länder passieren muss, damit das Gesetz auf nationaler Ebene in Kraft tritt, und warum die Lausitz absoluten Modellcharakter in Europa hätte.
Herr Dr. Ehler, wie kam es, dass die Lausitzrunde so schnell ihre Visitenkarte in Brüssel persönlich abgeben konnte?
Ich bin permanent in Kontakt mit der Lausitzrunde und anderen Playern der Region. Die Lausitzer Bürgermeister und die Brandenburger Wirtschaftsverbände haben nämlich einen genauen Blick auf Brüssel. Mein Job als EU-Abgeordneter ist es dabei auch, im positiven Sinne, ein Frühwarnsystem zu sein. Irgendwann war abzusehen, dass die Net Zero Valleys eine Chance für den Strukturwandel in der Lausitz sein würden,
um ihn zu beschleunigen. Thierry Breton als zuständiger EU-Kommissar und auch die Präsidentin der Kommission haben es sehr erfreut zur Kenntnis genommen, dass die brandenburgische und sächsische Lausitz in dem Augenblick, als das Gesetz verabschiedet wurde, sofort die Chance erkannt und den Willen gezeigt haben: ‚Das ist eine Chance für uns und wir wollen eine der ersten Net Zero Valley Region in Europa werden.‘
Das Positionspapier der Lausitzer Wirtschafts- und Unternehmensvertreter ist schon beim Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekommen. Was muss jetzt passieren, damit die Lausitz wirklich das erste Net Zero Valley wird?
Ich habe aus den Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsministerium den Eindruck, dass die Bundesregierung das Gesetz jetzt schnell in nationales Recht umsetzen will. Bis dahin können und wollen sich die Bürgermeister der Lausitz Gedanken machen, was die Voraussetzungen sind, um das Gesetz auch zielgerichtet umsetzen zu können. Da geht es beispielsweise um die Frage, wie künstliche Intelligenz in öffentlichen
Verwaltungen eingesetzt werden kann. Die aktuelle Phase, bis das europäische Gesetz in nationales Recht umgesetzt wird, kann also effektiv genutzt nutzen, um Projekte und klare Ziele zu definieren. Mit diesem Paket könne dann direkt auf die Bundesregierung zugegangen werden, die den Regionen die damit verbunden Vorhaben letztendlich zubilligen muss.
Foto: Büro Dr. Ehler
Mit den Worten „Sie können auf mich zählen“ war Thierry Breton beeindruckt von der Bewerbung der Lausitzrunde. Was hat Ihn besonders überzeugt?
Breton ist als Kommissar zuständig für Wirtschafts- und Industriepolitik, aber auch für Digitalisierung. Deshalb fand er nicht nur die gewünschten beschleunigten Genehmigungsverfahren interessant, sondern dass die Bürgermeister auch von sich aus angesprochen haben, dass Pilotprojekte in der öffentlichen Verwaltung über Digitalisierung und den Einsatz von KI zukünftig eine Voraussetzung dafür sein werden. Solche Pilotprojekte hätten europaweiten Modellcharakter.
Warum schauen so viele europäische Kohleregionen auf die Lausitz und wollen von ihr lernen?
Von allen Kohleregionen in Europa wird grundsätzlich immer nach Deutschland, als eine der größten Industrienationen, und somit auch auf die Lausitz geschaut. Es gibt hier industriellen Besatz, Mittelstand sowie eine Reihe von Universitäten und Hochschulen. Das ist beispielsweise in der Kohleregion in Nordmazedonien nicht unbedingt der Fall.
Man muss verstehen: Strukturwandel passiert nicht einfach so. Neue Unternehmen mit neuen Technologien siedeln sich nicht automatisch in einer Region an, die sich von alten Technologien verabschiedet. Sie siedeln sich da an, wo es am interessantesten und attraktivsten ist. Wenn man zusätzlich so ein Instrument, wie den NZIA, zur Verfügung gestellt bekommt, mit dem man Wettbewerbsvorteile durch schnellere Genehmigungsverfahren etc. schaffen kann, setzt man sich als Modellregion entsprechend in Szene.
Was zählt aus EU-Sicht überhaupt alles zur Lausitz und welche Rolle spielen die beiden Bundesländer dabei?
Am Ende müssen die beiden Bundesländer den Antrag bei der Bundesregierung stellen. Im europäischen Gesetzestext ist nicht definiert, wie groß darf oder muss so eine Net Zero Valley Region sein. Das wird den Mitgliedsstaaten überlassen und denjenigen, die sich national letztendlich bewerben. Da stellt sich nun die Frage, ob die beiden Bundesländer zusammen daran arbeiten und wie die Vorgehensweise dabei ist. Ein sehr positives Beispiel für das gemeinschaftliche Vorgehen im bisherigen Strukturwandel ist die Ansiedlung von Altech aus dem Batteriebereich im Industriepark Schwarze Pumpe, die entlang beider Ländergrenzen verläuft.
Thierry Breton sagte beim Gespräch in Brüssel: Er wolle sich von den Möglichkeiten der Lausitz vor Ort selbst überzeugen. Was wird er sich voraussichtlich anschauen?
In erster Linie wird der Industriepark Schwarze Pumpe als ‚Brennpunkt des Strukturwandels‘ im Mittelpunkt stehen. Auf der einen Seite gibt es dort u.a. mit der LEAG eine traditionelle Energieindustrie im Umbruch. Ebenso gibt es dort die energieintensive Papierindustrie, die sich durch das NZIA schnellere Genehmigungsverfahren für den Aufbau neuer Betriebsstrukturen erhoffen. Auf der anderen Seite gibt es die ersten Ansiedlungen von Net-Zero-Technologien, wie bspw. im Batteriebereich. Insofern ist Schwarze Pumpe ein idealer Ort, um mit Breton zu diskutieren, was vielleicht noch zusätzlich an Hilfen aus Brüssel kommen könnte.
*Info: Was ist das Netto-Null-Industriegesetz?
Europa stärkt mit dem Netto-Null Industriegesetz die Attraktivität seines Wirtschaftsstandortes durch schnellere Genehmigungsverfahren für
Neuansiedlungen und Erweiterungen von Produktionsstätten, die gezielte Aus- und Weiterbildung von und für Fachkräfte der Netto-Null-Technologien vor Ort und einen besseren Marktzugang für Technologien „Made-in-Europe“, vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen und Auktionen. Ein zentrales Element dabei ist die Einrichtung von „Net-Zero Valleys“ durch die Mitgliedsstaaten, das bevorzugte Bedingungen, wie noch schnellere Genehmigungszeiten und weitere flankierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Erschließung von Gewerbeflächen durch Infrastrukturförderung oder Pilotprojekte zur Digitalisierung und der Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung, für einen geographischen Raum ausweist.
Frühjahrsausgabe „STARK für die LAUSITZ“ 2024 ist erschienen
Frisch erscheinen ist die neueste Ausgabe unseres STARK für die LAUSITZ-Magazins. Diesmal im Fokus: Der Landkreis Bautzen und seine Leuchtturmstädte Bautzen, Kamenz, Hoyerswerda und Bischofswerda. Natürlich werfen wir darin aber auch wie immer einen Blick auf Aktuelles vom Strukturwandel in Brandenburg rund um die Boomtown Cottbus. So beeindruckte z.B. der Sonderausschuss Strukturentwicklung der Brandenburger Landesregierung den Ausschuss für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie im Landtag Nordrhein-Westfalen mit seinen Berichten über die Fortschritte im Lausitzer Revier, getreu dem Motto: „Brandenburg zeigt, wie es geht“.
STARK für die LAUSITZ ist frei erhältlich in vielen regionalen Auslagestellen in der Ober- und Niederlausitz und online als E-Paper hier.
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