Die Lausitz entwickelt sich zu einem Luftfahrtschwerpunkt in Deutschland
Für eine klimafreundliche Zukunft werden in der Luftfahrt neue Technologien benötigt, die ein emissionsfreies Fliegen ermöglichen sollen. Um die Ergebnisse der Forschung in die Realität umsetzen zu können, müssen diese unter realen Bedingungen, teilweise in Originalgröße, getestet werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) weihte dafür Mitte November eine große Testhalle in Cottbus ein. Welches Potenzial dies für die Lausitz und die Luftfahrtforschung deutschlandweit bietet.
pm / Jannis Simons
Der Strukturwandel wird immer mehr sichtbar: Das wird auch auf dem Gelände des Technologie- und Innovationsparks, dem so genannten TIP-Gelände, am nordwestlichen Stadtrand von Cottbus in direkter Nachbarschaft zum Hauptcampus der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg, deutlich. Dort, wo der Lausitz Science Park nach und nach entstehen soll, weihte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vor kurzem feierlich eine 13.000 Quadratmeter große Testhalle ein, die fachsprachlich als HepCo-Versuchsumgebung (Hybrid Electric Propulsion Cottbus) bezeichnet wird. In dieser werden künftig Komponenten elektrischer und hybridelektrischer Flugzeugantriebe sowie gesamte Antriebsarchitekturen unter realen Bedingungen geprüft, um die Luftfahrt klimafreundlicher und auch leiser zu machen. Das DLR will dafür mit internationalen Großkonzernen, regionalen Unternehmen sowie Hochschulen gemeinsam forschen, entwickeln und produzieren. Und das alles an einem Standort in der Lausitz – genauer gesagt in Cottbus.
„Wir wollen mithilfe einer Energiequelle einen Elektromotor oder mehrere Elektromotoren über eine Leistungselektronik antreiben und damit die Klimawirkung der Luftfahrt in den nächsten Jahren drastisch reduzieren.“
Prof. Lars Enghardt, Institutsdirektor des DLR-Instituts für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe Cottbus, das im Juni 2021 neu gegründet wurde
Voraussetzung dafür sind umfangreiche Testeinrichtungen, um Ergebnisse zur Anwendungs- und Markreife zu qualifizieren. Dr.-Ing. Ulrik Strehlau, Teamleiter Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)-Prüfstand in der Abteilung Versuchseinrichtungen und Infrastruktur am DLR-Institut in Cottbus: „Hier entsteht eine Prüfstandslandschaft. Das heißt, wir decken mit Prüfständen verschiedene Disziplinen ab, mit der die elektromagnetische Verträglichkeit oder Thermalmanagement-Systeme getestet und sich mit akustischen Umwelteinflüssen der neuartigen Triebwerke beschäftigt werden kann. Einzelne Komponenten und ihre Funktionalität werden dabei auf Herz und Nieren getestet.“ Geprüft werden dabei die Zuverlässigkeit, Alterung und beispielsweise die Fehlertoleranz dieser Komponenten, wie Motoren, Leistungselektronik oder Brennstoffzellensysteme.
Gespräche mit Rolls Royce und Airbus
Cottbus bot mit der unter den Namen „PX-Kabelhalle“ bekannten großen Halle auf dem ehemaligen Flugplatzgeländeoptimale Bedingungen. Seit April 2023 ist sie in Besitz des DLR. Prof. Enghardt: „Wir sind auf dem Gelände des Lausitz Science Park in einem bereits existierenden Gebäude angekommen, was uns großen Zeitvorteil gegenüber Kollegen und Konkurrenten gibt, die erst neue Gebäude bauen müssen.“ Das neue Institut in Cottbus hat aktuell um die 70 Mitarbeiter und soll noch bis zu 150 direkte Arbeitsplätze schaffen, die sich aus Wissenschaftlern, Technikern, Konstrukteuren, Werkstattmitarbeitern in mechanischen oder elektronischen Werkstätten zusammensetzen. Viele dieser Jobs hat das DLR inzwischen schon ausgeschrieben und wird es demnächst noch machen.
„Hier in Cottbus entsteht ein neuer Forschungsschwerpunkt zur klimafreundlichen Luftfahrt in Deutschland“, sagt Dr.-Ing. Strehlau selbstbewusst. Ähnliche Forschungsziele verfolgt auch Chesco. Mit dieser Forschungseinrichtung stehe das DLR aber im engen Austausch. „Wir wollen keine Doppelungen produzieren“, erklärt EMV-Prüfstand-Leiter Strehlau. Beide Einrichtungen sollen von den eng aufeinander abgestimmten und so konzipierten Testkapazitäten für Komponenten- und Systemtests vor Ort profitieren. Im Unterschied zu Chesco, das sich auf elektrifizierte Mobilität im Allgemeinen, also auch auf Schiene, Straße und Off-road bezieht, liegt der Fokus des DLR wirklich allein im Bereich der Luftfahrt. Dafür ist das Team um Institutsdirektor Prof. Enghardt schon jetzt im engen Austausch mit Big Playern dieser Branche, wie z.B. Rolls Royce, der MTU Aero Engines AG oder der APUS – Zero Emission GmbH. Auch mit der in ganz Europa tätigen Firma Airbus laufen schon entsprechende Gespräche zu den Bedürfnissen der Industrie.
Dass dies alles nicht nur heiße Luft sei, zeigt schon ein Blick in die riesige Halle. In einer Ecke stehen schon die ersten großen verpackten Teile. Diese gehören zur ersten Lieferung von akustischen Auskleidungskeilen für den Aufbau einer Versuchungsanlage zum Test von Elektromotoren in der Megawattklasse, erklärt Prof. Enghardt auf Nachfrage. Untersucht werden soll damit die Lärmabstrahlung von diesen Motoren. Die Anlage soll im Laufe des Jahres 2024 komplett errichtet werden, sodass Ende des nächsten Jahres die ersten Messergebnisse zur Verfügung stehen.
Die Lausitz ist also immer mehr bereit zum „leisen“ und klimafreundlichen Abheben im Strukturwandel.
„Das Fliegen der Zukunft wird künftig in Cottbus getestet. Ich freue mich sehr über die Eröffnung der HepCo-Versuchsumgebung des DLR-Instituts für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe. Nun kann das DLR noch intensiver an emissionsärmeren, stärker elektrifizierten Luftfahrtantriebe für zivile Transportflugzeuge forschen. Die Lausitz ist ‚ready for take off‘, wenn es darum geht, hocheffiziente, klimafreundliche und zukunftsfähige Technologien zu entwickeln – und das DLR-Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe ist ein maßgeblicher Bestandteil davon.“
Dr. Manja Schüle, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg
Info: Die Mobilität der Zukunft soll im Allgemeinem umweltverträglicher werden. Um die Forschung an den verschiedensten Aspekten dieser bedeutenden Themen zu intensivieren, gründete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) vier neue Institute und Einrichtungen. Mit dem am 3. Juli 2020 von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Strukturstärkungsgesetz war die Finanzierung dafür gesichert. Alleinstellungsmerkmal des Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe in Cottbus ist die ganzheitliche Betrachtung zukünftiger hybrid-elektrischer oder komplett elektrifizierter Antriebssysteme, das damit Lücken im Portfolio der deutschen Luftfahrtantriebsforschung schließt.
Hier geht’s zum Reel auf unserem Instagram-Account.
Schon ins aktuelle Printmagazin „STARK für die LAUSITZ“ geschaut?
Dieses Magazin ist von den Leuchtturm-Projekten des Landkreises Spree-Neiße sowie der Städte Forst, Guben und Spremberg geprägt. Darin geht es auch um ein 15-geschössiges Fachkräftecollege im Industriepark Schwarze Pumpe (Seite 26).
Natürlich werfen wir aber auch wie immer einen Blick auf aktuelle Entwicklungen in der Oberlausitz. Das alles haben wir unter dem Titel „Wandel durch Innovation“ auf 48 Seiten kompakt dargestellt. Hier geht’s zum kostenfreien E-Paper.