Bischofswerda geht mit viel Tradition in die Moderne
Welche Rolle das „Tor zur Oberlausitz“ im Strukturwandel der gesamten Lausitz spielt
Aus der Frühjahrsausgabe 2024 des STARK für die LAUSITZ-Magazins
Ohne moderne Infrastruktur, Zuzug oder attraktive Arbeitsplätze ist der ländliche Raum vom Aussterben bedroht. Mit dem Umbau des ehemaligen Bischofswerdaer Kreiskulturhauses zum modernen und innovativen Kommunal- und Kulturzentrum Bischofswerda (KKB) werden bis Ende 2026 mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Die ersten Planungen für die zukunftsträchtige Sanierung des Traditionshauses reichen fast fünf Jahre zurück. Auf Initiative des Wirtschaftsfördervereins Bischofswerda erarbeiten Stadtverwaltung und Stadtrat gemeinsam mit Bürgern ein Nutzungskonzept für das ursprünglich 1837 erbaute Gebäude. So werden Teile der Stadtverwaltung ebenso ihren Platz im denkmalgeschützten Haus finden, wie der Innenstadt-Hort, die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv sowie Dienstleister. Der Große Saal mit seinen bis zu 500 bestuhlten Zuschauerplätzen steht damit nach über einem Jahrzehnt voraussichtlich ab 2027 – pünktlich zum 800-jährigen Jubiläum der Stadt – wieder für Veranstaltungen zur Verfügung. Neben Shows verschiedener Veranstalter bestehen dann wieder Möglichkeiten für Schuleinweihungsfeiern, Abschlussbälle, Jugendweihen, Karneval, Tanzsport und vieles mehr.
Einmalige Chance
„Wir haben eine einmalige Chance, die wir jetzt gemeinsam nutzen können. Mit Hilfe von Fördermitteln aus dem Strukturstärkungsgesetz können wir das von uns allen gemeinsam erarbeitete Vorhaben eines zukunftsorientierten Kommunal- und Kulturzentrums zu einer nachhaltigen Umsetzung führen“, erklärte Oberbürgermeister Holm Große im Jahr 2020, nachdem der Stadtrat grünes Licht für das Projekt gegeben hatte. „Wir rechnen mit mehreren positiven Effekten. So werden hier städtische Pflichtaufgaben durchgeführt bzw. umgesetzt – unter anderem mit dem Innenstadt-Hort, der bereits als prioritäre Maßnahme im städtebaulichen Entwicklungskonzept vorgesehen war. Weiterhin werden hohe Betriebskosten bisher genutzter Immobilien durch den Umzug in das energieeffizient sanierte Gebäude gesenkt. Gleichfalls erfolgt die Wiederbelebung des Großen Saales für kulturelle und städtische Veranstaltungen.“
Vor zehn Jahren noch undenkbar
Rund 30 Millionen Euro soll die Metamorphose des Kulturhauses zum KKB planmäßig kosten. 95 Prozent davon werden aus dem Strukturwandeltopf gefördert, wofür kürzlich der Förderbescheid durch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer übergeben wurde. Der Eigenanteil der Stadt beträgt somit 1,5 Millionen Euro. Vor zehn Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen, die Stadt befand sich in einer Haushaltskonsolidierung. Seitdem hat sich aber vieles zum Positiven verändert. So wurden der Neubau zweier Kindereinrichtungen im Stadtteil Süd, der Neubau der Grundschule im OT Goldbach, die Sanierung mit Teilneubau der Sporthalle im Wesenitz-Sportpark oder der Neubau eines
Feuerwehrgerätehauses im OT Großdrebnitz auf dem Weg gebracht und abgeschlossen.
Weitere Großinvestition geplant
Eine weitere Großinvestition im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes steht ebenfalls bereits in den Startlöchern. Der Freistaat Sachsen führt in Bischofswerda die verschiedenen Standorte der Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA) im Industrie- und Gewerbegebiet Nord 2 zusammen. Bischofswerda konnte sich in einem Standortwettbewerb gegen mehrere Kommunen durchsetzen. Mit dieser Ansiedlung sind somit bereits fünf Hektar und damit die Hälfte der Fläche des in Erschließung befindlichen Industrie- und Gewerbegebietes belegt. „Mit dem Bau des Regenrückhaltebeckens beginnt die Erschließung von Nord 2. Nachfolgend siedelt sich die LUA mit rund 300 Arbeitsplätzen, davon 60 Auszubildenden, an. Jungen Menschen, vor allem Frauen, wird dann eine berufliche Perspektive gegeben.
Das ganze Bischofswerdaer Land wird davon profitieren, etwa durch Zuzüge junger Familien oder neue Wirtschaftskreisläufe. Andere Unternehmen haben bereits signalisiert, dass sie sich im Umfeld der LUA ansiedeln möchten. In Summe gesehen, werden damit alle ursprünglichen Ziele der Strukturwandel-Programme erfüllt“, erklärt Holm Große.
Hintergründe
„Die Kleinstadt“ mit 5.000 bis 20.000 Einwohnern ist in Deutschland der häufigste Stadttyp. 24 Millionen Menschen leben in Kleinstädten, rund 11.000 von ihnen in Bischofswerda, das mittelzentrale Funktionen für ein Siedlungsgebiet „Bischofswerdaer Land“ mit den weiteren Kommunen Burkau, Demitz-Thumitz, Frankenthal, Großharthau, Rammenau, Schmölln-Putzkau und ihren rund 25.000 Einwohnern erfüllt. Damit fungiert Bischofswerda als Anker für den ländlichen Raum im südwestlichen Teil der Lausitz. Als ehemalige Kreisstadt nimmt Bischofswerda wichtige regionale Aufgaben im Gesamtkontext der Lausitz wahr, von der Bildung bis zur Kultur. Um diese dauerhaft für Menschen abseits der Metropolen zukunftssicher vorhalten zu können, ist die Kleinstadt auch Teil dieses Strukturwandels in der Lausitz.
Bischofswerda blickt auf eine lange Tradition handwerklicher, gewerblicher und industrieller Ansiedlungen zurück – zu Beginn der 1990er Jahre wurde die Stadt von einem erdrutschartigen Strukturwandel getroffen. Sie war bis dahin von der Produktion von Beleuchtungsglas, Glasveredlungs- und keramischen Erzeugnissen und vor allem von Landmaschinen im Fortschritt-Mähdrescherwerk Bischofswerda/Singwitz geprägt. Dieser Betrieb hatte Ende der 1980er Jahre als weltweit drittgrößter Produzent von Mähdreschern etwa 6.900 Beschäftigte. Davon waren etwa 3.300 im Werk Bischofswerda und etwa 2.300 im Werk Singwitz tätig. Dazu kamen Betriebsteile in Neukirch und Bautzen mit insgesamt mehr als 1.000 Beschäftigten (sowie zwei Betriebsteile in Freiberg mit insgesamt etwa 350 Beschäftigten). 1990 wurde das Bischofswerdaer Werk trotz weltmarkttauglicher Produkte von der Treuhand abgewickelt. Tausende Familien in der Region Bischofswerda kämpften seitdem mit den Auswirkungen der (Langzeit-)Arbeitslosigkeit.
Entwicklung Bischofswerdas kommt der gesamten Lausitz zugute
Gleichermaßen verlor Bischofswerda als Kreisstadt an Bedeutung, denn 1994 ging der Landkreis Bischofswerda in die Landkreise Bautzen und Kamenz auf. 2008 verlor „Schiebock“, wie es im Volksmund nach einem einrädrigen Marktkarren genannt wird, nach der zweiten Kreisgebietsreform im damit noch größeren Landkreis Bautzen weitere Bedeutung. So verlor die ehemalige Kreisstadt zum Beispiel das Finanzamt, die Kfz-Zulassungsstelle und die Niederlassung der Agentur für Arbeit. Erst langsam gelang auf wirtschaftlicher Ebene eine relative Erholung durch ein Netzwerk an Klein- und mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen Medizintechnik, Textilindustrie, Werkzeug- und Maschinenbau, Umwelttechnik, Kunststoffverarbeitung sowie Stahl- und Metallbau. Diese Firmen liefern ihre Produkte unter anderem auch an Unternehmen in Bergbau und Energiewirtschaft und sind somit auch vom aktuellen Strukturwandel betroffen.
Die Kleinstadt hält seit Jahren Funktionen eines Mittelzentrums – komplette Schullandschaft, Kultur, Gesundheits- und Pflegebereich, Einkaufsmöglichkeiten usw. – vor. Bischofswerda besitzt die Vorteile einer Großstadt (Infrastruktur), aber ohne deren Nachteile (Sozialleben). Mit den Strukturwandel-Projekten soll der Entwicklung entgegengewirkt werden, dass junge Menschen, wenn sie einmal zum Studium in die Großstadt gehen, sehr selten zurückkommen. Die Ansiedlung der LUA ist ein Zeichen, dass es auch in der Gegenrichtung funktioniert. Rund um die LUA können sich zudem Firmen ansiedeln, die entweder für die LUA arbeiten oder deren Dienstleistungen in Anspruch nehmen möchten. Eine gleichmäßige und vor allem positive Entwicklung der Kommunen wie Bischofswerda abseits der Metropolen, sprich die erfolgreiche Bewältigung des Strukturwandels, kommt allen Lausitzerinnen und Lausitzern zugute.
Frühjahrsausgabe „STARK für die LAUSITZ“ 2024 ist erschienen
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